Teppichboden unterliegt nicht der Schönheitsreparaturklausel

Der Vermieter hat selbst die Kosten für einen Austausch des von ihm eingebrachten Teppichboden zu übernehmen, wenn der Teppichboden so verschlissen ist, dass er nicht mehr gereinigt werden kann.
Die Kl. mieteten von dem Bekl. eine nicht preisgebundene Wohnung, die mit Teppichböden ausgestattet ist.

§ 9 des Formularmietvertrages bestimmt, daß „der Mieter die Kosten der Schönheitsreparaturen trägt“. Als die Kl. Anfang 1989 die Teppichböden von einer Fachfirma reinigen lassen wollten, erklärte diese, daß eine Reinigung aufgrund altersbedingter Abnutzung nicht mehr möglich sei. Die Kl. haben daraufhin Klage mit dem Antrag erhoben, den Bekl. zu verurteilen, das Wohn-, Schlaf- und Kinderzimmer sowie die Diele ihrer Wohnung… mit neuem Teppichboden auszulegen. Der Bekl. ist diesem Begehren mit dem Hinweis auf die Überbürdung der Schönheitsreparaturen in § 9 des Mietvertrages entgegengetreten. Das AG hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung des Bekl. hat das LG Düsseldorf dem Senat folgende Frage zum Rechtsentscheid vorgelegt:

Umfaßt der Begriff der Schönheitsreparaturen, zu denen sich der Mieter von Wohnraum durch Mietvertrag verpflichtet hat, auch das Erneuern von Teppichböden, die infolge vertragsgemäßen Gebrauchs verschlissen sind?

Aus den Gründen:
… 1. Die von der Berufungszivilkammer vorgelegte Rechtsfrage ergibt sich aus einem Mietverhältnis über Wohnraum. Sie ist, obwohl ihre Beantwortung auf der Auslegung einer Vertragsklausel beruht, einem Rechtsentscheid zugänglich. Auszulegen ist nämlich eine auch auf dem Gebiet der Wohnraummiete häufig wiederkehrende, typische Vertragsbestimmung. Derartige Formularklauseln kann und darf das um den Erlaß eines Rechtsentscheides angegangene Gericht auslegen (BGHZ 84, 345 = NJW 1982, 2186 = LM § 535 BGB Nr. 77).

2. Die vorgelegte Rechtsfrage ist auch für die Entscheidung des der Vorlage zugrunde liegenden Rechtsstreits erheblich. Wäre nämlich der Wohnraummieter bei einer formularmäßigen Abwälzung der Schönheitsreparaturen auf ihn auch zur Erneuerung des durch vertragsgemäßen Gebrauch abgenutzten Teppichbodens verpflichtet, so wäre die gegen den Vermieter gerichtete Klage auf Erneuerung des Teppichbodens unbegründet.

Die Entscheidungserheblichkeit entfällt nicht dadurch, daß im Vorlagefall der Verschleiß des Teppichbodens streitig ist, der Rechtsstreit damit möglicherweise auch ohne die Beantwortung der Vorlagefrage entschieden werden könnte. Den Parteien kann nämlich nicht zugemutet werden, die Kosten einer Beweisaufnahme zu tragen, auf deren Ergebnis es möglicherweise nicht ankommt (BGHZ 101, 253 = NJW 1987, 2575 = LM § 535 BGB Nr. 109; OLG Hamm, ZMR 1984, 414).

3. Der Zulässigkeit der Vorlage steht nicht entgegen, daß das LG nicht von einem Rechtsentscheid, sondern von einer außerhalb eines Rechtsentscheidsverfahrens ergangenen obergerichtlichen Entscheidung abweichen will. Denn für die Vorlage zum Rechtsentscheid reicht aus, daß das BerGer. von anderen obergerichtlichen Entscheidungen abweichen will (BGHZ 89, 275 = NJW 1984, 1615 = LM 3. MietRÄndG Nr. 5).

Es erscheint aber zweifelhaft, ob, wie das LG meint, überhaupt ein Divergenzfall vorliegt. Eine Abweichung liegt nämlich nur dann vor, wenn das OLG Düsseldorf in der in der Vorlage angeführten Entscheidung den Begriff „Schönheitsreparaturen“ für alle Arten von Mietverhältnissen, insbesondere auch für Wohnraummietverhältnisse prägen wollte. Das erscheint nicht gänzlich zweifelsfrei. Denn das OLG Düsseldorf, das für den Erlaß von Rechtsentscheiden ohnehin nicht zuständig und damit mit Fragen aus dem Bereich der Wohnraummiete grundsätzlich nicht befaßt ist, hatte in jener Entscheidung ausschließlich über Fragen auf dem Gebiet der gewerblichen Miete zu befinden.

4. Letztlich kann die vorstehend aufgeworfene Frage unbeantwortet bleiben. Die vorgelegte Rechtsfrage ist jedenfalls von grundsätzlicher Bedeutung. Die formularmäßige Abwälzung der Schönheitsreparaturen auf den Wohnraummieter ist in der Praxis die Regel. Ihr Umfang ist für die Mietvertragsparteien von größter Bedeutung. Die Vorlagefrage ist – soweit ersichtlich – noch nicht Gegenstand eines Rechtsentscheides gewesen.

III. Die Vorlagefrage war in der aus der Beschlußformel ersichtlichen Fassung zu bescheiden.

1. Eine gesetzliche Bestimmung des Begriffs „Schönheitsreparaturen“ fehlt weiterhin. Wohl aber fanden sich schon in der Vorkriegszeit in verschiedenen Länderverordnungen, die 1936 in Ausführung der §§ 6, 21 des damals neugefaßten Reichsmietengesetzes erlassen worden waren, Umschreibungen der „Schönheitsinstandsetzungen in Mieträumen“ (z. B. § 7 der Preußischen AusführungsVO v. 24. 4. 1936 – GS S. 99 -, insoweit gleichlautend mit den entspr. Verordnungen aus 1936 in Oldenburg, Braunschweig, Anhalt, Bremen, Lippe, Schaumburg-Lippe – zusammengestellt bei Dahm, Gesetzliche Miete, 1936). Hieran anknüpfend definiert § 28 IV 4 der II. BerechnungsVO (i. F. v. 5. 4. 1984 – BGBl I, 553) als Schönheitsreparaturen nur das Tapezieren, Anstreichen oder Kalken der Wände und Decken, das Streichen der Fußböden, Heizkörper einschließlich Heizrohre, der Innentüren sowie der Fenster und Außentüren von innen. Nach dem Wortlaut all dieser Regelungen zählt also die Erneuerung durch vertragsgemäßen Gebrauch verschlissenen Teppichbodens nicht zu den Schönheitsreparaturen. Die Aufzählung in § 28 IV 4 II. BerechnungsVO ist für den preisgebundenen Wohnraum abschließend (Wolf, WM 1990, 1769; Voelskow, in: MünchKomm, 2. Aufl., §§ 535, 536 Rdnr. 14). Sie ist der Entwicklung der Wohnverhältnisse, insbesondere der modernen bau- und wohntechnischen Entwicklung bislang nicht angepaßt worden.

2. Die Erneuerung verschlissenen Teppichbodens zählt aber auch nach dem Sinn und Zweck des § 28 IV 4 II. BerechnungsVO und unter Berücksichtigung der bau- und wohnungstechnischen Entwicklung nicht zu den Schönheitsreparaturen. Die Argumentation des OLG Düsseldorf (NJW-RR 1989, 663), was für die Wände die Tapeten seien, das sei der Teppichboden für den Fußboden, verfängt nicht. Nach der Entwicklungsgeschichte und der Konzeption des 28 IV 4 II. BerechnungsVO dient die Ausführung von Schönheitsreparaturen der Erhaltung eines ansprechenden äußeren Erscheinungsbildes der Mieträume (Wolf, WM 1990, 1769); durch diese Arbeiten werden die Räume über die vorhandene Bausubstanz hinaus malerisch in einen ihrem Zweck entsprechenden Zustand versetzt (KG Berlin, MDR 1974, 319). Abgesehen davon, daß das Tapezieren der Wände in 28 IV 4 der II. BerechnungsVO ausdrücklich als Schönheitsreparatur aufgeführt ist, dient das Anbringen von Wandtapeten ausschließlich der malerischen Ausgestaltung der Mieträume. Anders hingegen liegen die Dinge bei der Erneuerung verschlissenen Teppichbodens. Zwar können durch die Wahl eines Teppichbodens auch optische Akzente gesetzt werden. Um eine malerische Ausgestaltung der Wohnräume handelt es sich jedoch auch dann nicht. In diesem Zusammenhang ist indes entscheidend, daß durch die Verlegung eines Teppichbodens in erster Linie der Oberbodenaufbau abgeschlossen und die Wärmedämmung sowie Schallisolierung nach unten hin verstärkt werden sollen. Die Erneuerung verschlissenen Teppichbodens ist also nicht dem Streichen anstrichfähiger Fußböden gleichzusetzen, sondern ist ebenso wie die Holzdiele, das Parkett oder der PVC-Fußbodenbelag Teil des eigentlichen Fußbodens. Sie gehört mithin nicht zu den Schönheitsreparaturen im Sinne von § 28 IV 4 der II. BerechnungsVO (im Ergebnis ebenso: Wolf, WM 1990, 1769; Glaser, ZMR 1986, 109; Kraemer, in: Bub-Treier, Hdb. d. Geschäfts- und Wohnraummiete, 1990, Kap. III A Rdnr. 1068; Voelskow, in: MünchKomm, §§ 535, 536 Rdnr. 114; Emmerich-Sonnenschein, Miete, 5. Aufl., §§ 535, 536 Rdnr. 38; Schmidt=Futterer-Blank, WohnraumschutzG, 6. Aufl., B 255 a; Köhler, Hdb. d. Wohnraummiete, 3. Aufl., § 98 Rdnr. 15; OLG Hamburg, ZMR 1984, 342; LG Frankenthal, ZMR 1985, 342; LG Berlin, GE 1982, 83; AG Freiburg, WuM 1989, 233; unklar, aber offensichtlich a. A. Hummel, ZMR 1990, 366 (367); für die gewerbliche Miete a. A. Palandt-Putzo, BGB, 50. Aufl., § 536 Rdnr. 10 unter Hinw. auf OLG Düsseldorf, NJW-RR 1989, 663).

3. Allerdings gingen die Verordnungsgeber seinerzeit ersichtlich von Wohnungen einfacheren Zuschnitts aus, deren Erhaltungsaufwand entsprechend niedrig angesetzt ist (Hummel, ZMR 1990, 366; Otto, ZMR 1989, 81). Dies erklärt sich zum einem aus dem Zweck des Gesetzes zur Änderung des Reichsmietengesetzes und des Mieterschutzes vom 18. 4. 1936 (RGBl I, 371), ungerechtfertigte Mietzinssteigerungen zu verhindern und preiswertes Wohnen zu ermöglichen; zum anderen folgt dies aus der Zielsetzung der II. BerechnungsVO, den über die Kostenmiete auf den Mieter preisgebundenen Wohnraums abwälzbaren Aufwand für Schönheitsreparaturen möglichst niedrig zu halten. Aus der vorstehend angeführten Zielsetzung der Verordnungsgeber heraus ist es an sich nicht zwingend, den für den preisgebundenen Wohnraum eingegrenzten Begriff der Schönheitsreparaturen auch auf den Bereich des preisfreien Wohnraumes zu übertragen. Dennoch wird diesem Begriff beim Fehlen einer anderweitigen Regelung allgemein zumindest auf dem Gebiet der gesamten Wohnraummiete ein einheitlicher Sinngehalt, nämlich der des § 28 IV 4 der II. BerechnungsVO beigemessen (BGHZ 92, 363 = NJW 1985, 480 (481) = LM § 157 (D) BGB Nr. 44; BGH, BB 1962, 14; Kraemer, in: Bub-Treier, Hdb. d. Geschäfts- und Wohnraummiete, Kap. III A Rdnr. 1068; Schmidt=Futterer-Blank, WohnraumschutzG, B 255 a; Wolf, WM 1990, 1769; Jendrek, Miet-, Leasing- und PachtR, 1990, S. 40). Auch der vom Bundesminister der Justiz herausgegebene Mustermietvertrag 1976 Fassung I (Beil. zum BAnz. 22/76 = ZMR 1976, 68 ff.) mißt in seinem § 7 dem Begriff der Schönheitsreparaturen auf dem gesamten Gebiet der Wohnraummiete denselben Sinngehalt bei, u. z. wie er in § 28 IV 4 II. BerechnungsVO beschrieben ist.

Es besteht trotz der modernen bau- und wohntechnischen Entwicklung zur komfortablen Wohnung hin kein Anlaß, den bislang einheitlichen Begriff der Schönheitsreparaturen auf dem Gebiet der Wohnraummiete aufzuspalten. Eine unterschiedliche Begriffsprägung für preisgebundenen und für preisfreien Wohnraum würde bei Mietern und Vermietern Unklarheit und Unsicherheit erzeugen, ohne daß durch die Begriffsaufspaltung in der Sache etwas gewonnen wäre. Denn vom Begriffsbild des § 28 IV 4 II. BerechnungsVO abweichende Vertragsregelungen sind für preisfreien Wohnraum ohnehin zulässig. Insbesondere wäre für die Beteiligten nicht einsichtig, weshalb mit dem Ende der Mietpreisbindung dem Begriff der Schönheitsreparaturen bezogen auf dieselbe Wohnung ein anderer Sinngehalt zukommen sollte. Darüberhinaus findet der Umstand, daß die Schönheitsreparaturen vertraglich auf den Mieter abgewälzt werden, in der Regel, zumindest häufig, bei der Mietzinskalkulation seinen Niederschlag (BGHZ 92, 363 = NJW 1985, 480 = LM § 157 (D) BGB Nr. 44). Dabei sind die Mietvertragsparteien bislang in Anlehnung an Rechtsprechung und Literatur davon ausgegangen, daß dem Begriff der Schönheitsreparaturen auf dem Gebiet der Wohnraummiete ein einheitlicher Sinngehalt zukommt; sie haben demgemäß beim Fehlen einer mietvertraglichen Begriffsdefinition auch beim preisfreien Wohnraum nur diejenigen Reparaturen bei der Mietpreiskalkulation bedacht, die § 28 IV 4 II. BerechnungsVO aufzählt. Würde man nunmehr den Begriff der Schönheitsreparaturen aufspalten und auf dem Gebiet des preisfreien Wohnraumes erweitern, so würde in diesem Bereich der Mietzinskalkulation bereits laufender Mietverhältnisse zu Lasten der Mieter teilweise die Grundlage entzogen. Ein solches Ergebnis erfordert weder der bautechnische Fortschritt noch die wohntechnische Entwicklung.

OLG Hamm, Beschluss vom 22.03.1991 – 30 REMiet 3/90 –