Vermieter räumt Wohnung eigenmächtig

Lässt ein Vermieter eigenmächtig, also ohne einen Räumungstitel zu haben, eine Wohnung räumen, muss er den Schaden, der dem Mieter daraus entsteht, ersetzen – und zwar unabhängig von einem Verschulden. Den Vermieter trifft insbesondere eine Obhutspflicht für die Gegenstände des Mieters, die sich in der Wohnung befinden.

Der Kläger war Mieter einer Wohnung der Beklagten. Ab Februar 2005 war er für mehrere Monate mit unbekanntem Aufenthalt ortsabwesend und wurde von Verwandten als vermisst gemeldet. Nachdem die Mieten für die Monate März und April 2005 nicht gezahlt worden waren, kündigte die Vermieterin das Mietverhältnis fristlos. Im Mai 2005 öffnete sie die Wohnung und nahm sie in Besitz. Hierbei entsorgte sie einen Teil der Wohnungseinrichtung einen anderen Teil der vorgefundenen Sachen lagerte sie bei sich ein.

Gestützt auf ein Sachverständigengutachten hat der Mieter für die ihm nach seiner Behauptung im Zuge der Räumung abhanden gekommenen, beschädigten oder verschmutzten Gegenstände Schadenersatz von rund 62.000 Euro zuzüglich der ihm entstandenen Gutachterkosten verlangt. Die Klage, die in erster und zweiter Instanz abgewiesen worden war, hatte vor dem BGH Erfolg. Dieser entschied, dass die Vermieterin für die Folgen einer solchen Räumung haftet.

Die nicht durch einen gerichtlichen Titel gedeckte eigenmächtige Inbesitznahme einer Wohnung und deren eigenmächtiges Ausräumen durch den Vermieter stellten eine unerlaubte Selbsthilfe dar. Das gelte selbst dann, wenn der gegenwärtige Aufenthaltsort des Mieters unbekannt und ein vertragliches Besitzrecht des Mieters infolge Kündigung entfallen sei. Der Vermieter müsse sich auch in diesen Fällen – gegebenenfalls nach öffentlicher Zustellung der Räumungsklage – einen Räumungstitel beschaffen und aus diesem vorgehen. Übe er stattdessen im Wege einer so genannten «kalten» Räumung eine verbotene Selbsthilfe, sei er verschuldensunabhängig zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.

Von dieser Ersatzpflicht wird laut BGH insbesondere eine eigenmächtige Entsorgung der in der Wohnung vorgefundenen Gegenstände erfasst. Den Vermieter, der eine Wohnung ohne Vorliegen eines gerichtlichen Titels in Besitz nehme, treffe für die darin befindlichen Gegenstände eine Obhutspflicht. Da der Mieter von der Inbesitznahme seiner Wohnung nichts wisse und deshalb auch nicht in der Lage sei, seine Rechte selbst wahrzunehmen, gehöre zu dieser Obhutspflicht des Vermieters weiter, dass er ein Bestandsverzeichnis aufstelle und den Wert der darin aufgenommenen Gegenstände feststelle.

Komme er dieser Pflicht nicht in ausreichendem Maße nach, müsse er die Behauptung des Mieters widerlegen, dass bestimmte Gegenstände bei der Räumung abhanden gekommen oder beschädigt worden seien, und beweisen, dass sie einen geringeren Wert hatten als vom Mieter behauptet.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 14.07.2010, VIII ZR 45/09


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