Mietvertrag: Streiten Eheleute kann eine „sonstige Familiensache“ vorliegen

Der BGH stellt klar, daß auch eine Streitigkeit aus Mietverträgen eine sonstige Familiensache im Sinne des § 266 Abs. 1 Nr. 3 FamFG vorliegt, denn das Tatbestandsmerkmal im Zusammenhang mit Trennung oder Scheidung ist weit auszulegen. Entgegen der bisherigen Rechtsauffassung kommt es nicht nur auf den Vortrag der Klägerseite an, sondern ebenfalls auf das Verteidigungsvorbringen des Beklagten.

Die Parteien streiten über Forderungen der Klägerin aus einem Gewerberaummietvertrag, wobei der Mietvertrag weit vor Trennung und Scheidung abgeschlossen wurde.

Entgegen der Auffassung des Beschwerdegerichts beurteilt der BGH, dass diese Streitigkeit als sonstige Familiensache im Sinne des § 266 Abs. 1 Nr. 3 FamFG zu qualifizieren ist. Dabei kommt es für die Prüfung, ob der zur Entscheidung anstehende Verfahrensgegenstand eine bürgerlich-rechtliche Streitigkeit oder eine Familiensache im Sinne des § 17 a Abs. 6 GVG darstellt, nicht allein auf den Vortrag der Klägerseite, sondern ebenfalls auf das Verteidigungsvorbringen der Gegenseite an.

Trotz gegenteiliger Auffassung (OLG Stuttgart Beschluss vom 10. Januar 2011 – 13 W 69/10 – juris Rn. 1; Zöller/Lorenz ZPO 29. Aufl. § 266 FamFG Rn. 7; Prütting/Helms/Heiter FamFG 2. Aufl. § 266 Rn. 17) darf jedoch nicht unberücksichtigt bleiben, dass es mit dem Grundsatz der Gleichwertigkeit („Waffengleichheit“) der Parteien und dem Anspruch auf den gesetzlichen Richter gemäß Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG regelmäßig nicht vereinbar wäre, wenn das Gericht im Rahmen der Prüfung der Zulässigkeit des Rechtsweges den Sachvortrag des Beklagten nicht zur Kenntnis nähme und seine
Zuständigkeit allein auf der Grundlage eines schlüssigen, aber bestrittenen und nicht bewiesenen Klägervortrags bejahte (vgl. BGHZ 183, 49 = NJW 2010, 873 Rn. 18 f.).

Hinzu kommt, dass sich gemäß § 266 Abs. 1 Nr. 3 FamFG die Zuständigkeit des angerufenen Gerichts nicht allein aus dem geltend gemachten Anspruch ergibt, sondern erst aus dem Zusammenhang mit Trennung oder Scheidung oder Aufhebung der Ehe, also letztlich aus einer Gesamtbetrachtung. Daraus folgt, dass die Darlegung der Tatbestandsmerkmale der anspruchsbegründenden Norm nicht zwingend Auskunft über die mögliche Zuordnung als sonstige Familiensache
im Sinne des § 266 Abs. 1 Nr. 3 FamFG gibt. Wollte man allein auf den Vortrag des Klägers abstellen, so hätte es dieser in der Hand, durch Vorenthalten entsprechenden Vortrages zum Zusammenhang im Sinne des § 266 Abs. 1 Nr. 3 FamFG den Rechtsweg zu den Zivilgerichten vorzugeben, ohne dass die Gegenseite die Möglichkeit hätte, darauf Einfluss zu nehmen.

Sofern die Gegenseite – wie hier der Beklagte – einwendet, die Ansprüche stünden in einem solchen Zusammenhang, hat der Kläger bzw. Antragsteller diesen Vortrag zu widerlegen. Bleiben die für die zur Begründung der Rechtswegzuständigkeit maßgeblichen Tatsachen streitig, hat der Kläger diese zu beweisen (vgl. BGHZ 183, 49 = NJW 2010, 873 Rn. 18).

Gemäß § 266 Abs. 1 Nr. 3 FamFG sind sonstige Familiensachen Verfahren, die Ansprüche zwischen miteinander verheirateten oder ehemals miteinander verheirateten Personen oder zwischen einer solchen und einem Elternteil im Zusammenhang mit Trennung oder Scheidung oder Aufhebung der Ehe betreffen, sofern nicht die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte gegeben ist oder das Verfahren eines der in § 348 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Buchst. a bis k ZPO genannten Sachgebiete, das Wohnungseigentumsrecht oder das Erbrecht betrifft und sofern es sich nicht bereits nach anderen Vorschriften um eine Familiensache handelt. Mietsachen werden von diesem – abschließenden – Ausnahmekatalog nicht umfasst.

Mit § 266 FamFG hat der Gesetzgeber den Zuständigkeitsbereich der Familiengerichte deutlich erweitert („Großes Familiengericht“). Damit sollen bestimmte Zivilrechtsstreitigkeiten, die eine besondere Nähe zu familienrechtlich geregelten Rechtsverhältnissen aufweisen oder die in engem Zusammenhang mit der Auflösung eines solchen Rechtsverhältnisses stehen, ebenfalls Familiensachen werden. Ordnungskriterium dabei ist nach der Gesetzesbegründung allein die Sachnähe des Familiengerichts zum Verfahrensgegenstand. Im Interesse aller Beteiligten soll es dem Familiengericht möglich sein, alle durch den sozialen Verband von Ehe und Familie sachlich verbundenen
Rechtsstreitigkeiten zu entscheiden (Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 7. September
2007 BT-Drucks. 16/6308 S. 168 f.).

BGH 5.12.2012 – XII ZB 652/11