Der Ehegattenunterhalt kann, auch wenn die Scheidung endlich rechtskräftig ist, nicht unbedingt gekürzt werden.
Ein Ehepaar ließ sich nach über 18 Jahren Ehe scheiden. Die Frau blieb mit den drei gemeinsamen Kindern im Familienhaus wohnen, der Mann zog aus und gründete eine neue Familie. In einem Prozessvergleich im Rahmen eines Unterhaltsverfahrens hatte sich der Mann bereit erklärt, seiner geschiedenen Frau 50 Euro im Monat Unterhalt zu zahlen. Einige Zeit später übernahm die Frau das Haus – das bisher im Miteigentum der Geschiedenen gestanden hatte – vollständig, verpflichtete sich also auch, die Hausverbindlichkeiten allein zu tragen. Der Exmann will keinen Unterhalt zahlen. Er beantragte gar keinen Unterhalt mehr – oder zumindest nur noch für einen begrenzten Zeitraum – zahlen zu müssen, da er vielmehr für seine zweite Ehefrau und die gemeinsame Tochter unterhaltspflichtig sei. Seine Ex könne dagegen nicht nur in Teilzeit, sondern voll arbeiten und sich selbst versorgen.
Daraufhin gab die Frau an, für die Familie ihren gut bezahlten Job aufgegeben und davor das Studium ihres damaligen Gatten mitfinanziert zu haben, das ihm seine Karriere erst ermöglichte. Eine Unterhaltskürzung komme wegen der ehebedingten Nachteile, die aufgrund der Kinderbetreuung noch andauerten, somit nicht in Betracht.
Das OLG Hamm sprach der Frau mehr Aufstockungsunterhalt nach § 1573 II BGB zu. Schließlich hat sie zumindest teilweise nachweisen können, dass sich die (finanziellen) Umstände, die zu dem Unterhalt von 50 Euro führten, wesentlich geändert haben. Denn bei der Leistungsfähigkeit ist das tatsächliche Einkommen des Unterhaltspflichtigen maßgeblich. Das hat sich unter anderem dadurch erhöht, dass die Darlehensraten für das Haus auf der Seite des Exmannes weggefallen sind. Dagegen musste sich die Frau tatsächlich ein fiktives Einkommen aus einer Vollzeitarbeit anrechnen lassen, da die gemeinsamen Kinder keiner „Rund um die Uhr“-Betreuung mehr bedurften. Obwohl der Frau somit eine Vollzeitstelle zumutbar gewesen wäre, arbeitete sie lediglich in Teilzeit.
In der Regel darf nach § 1578b BGB der Unterhalt begrenzt oder herabgesetzt werden. Grund ist, dass es unbillig wäre, einem Unterhaltsberechtigten, der z. B. nur für zwei Jahre mit dem Unterhaltspflichtigen verheiratet war, für den Rest seines Lebens einen Unterhalt nach Maßgabe der ehelichen Lebensverhältnisse zuzugestehen. Somit greift auch hier der Grundsatz der Eigenverantwortung nach der Scheidung. Ausnahmen stellen lediglich ehebedingte Nachteile – etwa die Arbeitsaufgabe wegen der Ehe – oder eine lang andauernde Ehe dar. Hier hat der Unterhaltspflichtige die sog. nacheheliche Solidarität zu berücksichtigen.
Das Gericht lehnte eine Befristung bzw. eine vollständige Herabsetzung des Unterhalts ab. Zwar verneinte es ehebedingte Nachteile, da die Kinder keiner ständigen Betreuung mehr bedurften und eine berufliche Wiedereingliederung der Frau problemlos verlaufen war. Ferner hatte die Frau nicht nachweisen können, dass sie ohne die Ehe eine besser bezahlte Stelle bekommen hätte. Es war aber unzweifelhaft, dass sie zunächst mit ihrem Einkommen den Mann unterhalten, ihm also das Studium und somit die Karriere ermöglicht hatte. Außerdem war das Ehepaar über 18 Jahre miteinander verheiratet, in denen die Frau nach der Geburt des ersten Kindes bewusst nur den Haushalt geführt und gerade kein eigenes Geld verdient hatte. Mit Blick auf die nacheheliche Solidarität war der Unterhalt daher nicht zu kürzen oder zeitlich zu befristen.
(OLG Hamm, Beschluss v. 13.08.2013, Az.: 4 UF 9/13)