Unterhalt für Alleinerziehende

Der Unterhalt, der für die Betreuung eines gemeinsamen Kindes gezahlt wird, kann künftig entfallen – wenn ausreichende Betreuungsmöglichkeiten bestehen. Der Bundesgerichtshof (BGH) gab dem Vater eines Siebenjährigen Recht, der keinen „Betreuungsunterhalt“ mehr an seine Ex-Frau zahlen will. Entscheidend seien aber immer die Umstände im Einzelfall, so der BGH.

Der 2006 geschiedene Mann einer Berliner Lehrerin, der vergangenes Jahr erneut Vater wurde, zahlt bisher 830 Euro Unterhalt im Monat. Die Frau unterrichtet mit einer 70-Prozent-Stelle. Den an Asthma leidenden siebenjährigen Sohn, der bis 16 Uhr im Hort untergebracht ist, betreut sie seit der Trennung im September 2003 allein. Das Kammergericht Berlin, das der Frau zunächst Recht gegeben hatte, muss den Fall nun erneut prüfen.

Bei der Prüfung geht es darum, ob im konkreten Fall Gründe für einen erhöhten Betreuungsbedarf des Kindes bestehen. Die Mutter hatte eine chronische Krankheit des Kindes geltend gemacht, der Junge leide an Asthma. Der Anwalt des Vaters sprach dagegen von Husten und Bronchitis. Das Gericht muss nun die Auswirkungen der gesundheitlichen Beeinträchtigung auf den Betreuungsbedarf klären und zudem feststellen, ob im Kinderhort, in den der Sohn geht, eine Hausaufgabenbetreuung gewährleistet ist.

Fraglich ist dem BGH zufolge bisher auch, ob die Studienrätin nachmittags nach 16 Uhr, wenn der Hort geschlossen hat, unterrichten muss. Nur wenn die Krankheit eine besondere Betreuung notwendig macht, kann die Studienrätin weiter eine Zwei-Drittel-Stelle annehmen. Andernfalls muss die Deutsch- und Englischlehrerin Vollzeit arbeiten.

Nach dem früheren Recht hätte sie bis zum 8. Lebensjahr gar nicht und bis zum 15. nur halbtags arbeiten müssen. Seit der Reform des Unterhaltsrechts gilt ein Anspruch auf „Betreuungsunterhalt“ grundsätzlich nur für drei Jahre, ist aber verlängerbar.

Es war das erste Urteil zum neuen Unterhaltsrecht. Mit der Reform des Unterhaltsrechts, die Anfang 2008 in Kraft trat, sind ehemals verheiratete und unverheiratete Berechtigte gleichgestellt. Mütter und Väter, die ihr Kind betreuen, haben zunächst drei Jahre nach der Geburt des Kindes Anspruch auf Betreuungsunterhalt, also bis zum Kindergartenalter. Laut dem Gesetz verlängert sich der Anspruch auf Unterhalt, „solange und soweit dies der Billigkeit entspricht“ – was dies genau bedeutet, beschäftigt seither den Bundesgerichtshof.

Mit der Reform des Unterhaltsrechts sollte die Eigenverantwortung des betreuenden Elternteils in den Mittelpunkt rücken. Für die Dauer des Unterhalts soll nicht mehr nur das Alter des Kindes, sondern beispielsweise die Möglichkeit einer Betreuung im Kindergarten im Einzelfall ausschlaggebend sein.

Der BGH verwies darauf, dass der Gesetzgeber mit der Neugestaltung des nachehelichen Betreuungsunterhalts „den Vorrang der persönlichen Betreuung durch die Eltern gegenüber einer anderen kindgerechten Betreuung aufgegeben hat“. Die geltende gesetzliche Neuregelung verlange allerdings in der Regel „keinen abrupten Wechsel von der elterlichen Betreuung zu einer Vollzeiterwerbstätigkeit“. Auch nach dem neuen Unterhaltsrecht sei ein gestufter Übergang bis hin zu einer Vollzeiterwerbstätigkeit möglich.

Mit diesem Grundsatzurteil zur Dauer des nachehelichen Unterhalts hat der BGH viele Fragen offen gelassen.

Wie lange „darf“ man betreuen, wann „muss“ man voll arbeiten?

Das Urteil mit der jetzigen Begründung wird den Streit um den Unterhalt bedauerlicherweise anheizen, denn es fehlt die Klarheit.

Der BGH stellt zwar auf den individuellen Einzelfall ab, was zu begrüßen ist, von einer „Billigkeitsprüfung der individuellen Umstände“ ist die Rede. Zur Überprüfung der individuellen Umstände werden jedoch Kriterien genannt, über die sich nach unseren Erfahrungen so richtig schön streiten lässt, weil sie schwer nachweisbar, weil sie im subjektiven Ermessen eines Richters liegen: ´überobligatorische Belastung´, ´in der Ehe gewachsenes Vertrauen´, ´kindbezogene Verlängerungsgründe´.

Der BGH hat es versäumt, den im Familienrecht tätigen Richtern und Anwälten klare Vorgaben für zukünftige Entscheidungen zu geben.


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