Scheidung nach italienischem Recht

Das OLG Stuttgart hatte über die Anwendbarkeit des italienischen Scheidungsrechts zu entscheiden. Vorausgegangen war eine Trennung von Tisch und Bett nach italienischem Recht über die bereits vor dem 21.06.2012 entschieden wurde. In diesem Fall findet auf den nach diesem Datum beim Familiengericht eingereichten Scheidungsantrag gemäß Art. 9 Abs. 1 VO (EU) Nr. 1259/10 vom 20.12.2010 („Rom III-Verordnung“) zu der Wahrung der Statuseinheit ebenfalls italienisches Scheidungsrecht Anwendung.

Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin vom 26.11.2012 gegen den Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Esslingen vom 22.11.2012 wird zurückgewiesen.
Gründe

I.
Die Verfahrensbeteiligten haben am 26.07.1989 vor dem Standesbeamten des Standesamts P., Provinz …/Italien die Ehe geschlossen. Beide Verfahrensbeteiligten besitzen die italienische Staatsangehörigkeit. Mit Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Esslingen vom 14.12.2011 (Az.: 2 F 1057/11) wurde die gerichtliche Trennung der Verfahrensbeteiligten nach Art. 151 des Italienischen Zivilgesetzbuches (Codice Civile) mit Wirkung zum 13.10.2011 ausgesprochen. Mit Antragsschrift vom 22.06.2012, eingegangen beim Amtsgericht – Familiengericht – Esslingen am 25.10.2012, hat die Antragstellerin Verfahrenskostenhilfe für die Durchführung des Scheidungsverfahrens beantragt. Sie begehrt die Ehescheidung nach deutschem Recht gemäß Verordnung (EU) Nr. 1259/10 vom 20.12.2010 („Rom III-Ver-ordnung“), wonach mit Wirkung vom 21.06.2012 gemäß Art. 8 lit. a Nr. 1259/10 vom 20.12.2010 mangels einer Rechtswahl gemäß Art. 5 VO (EU) Nr. 1259/10 vom 20.12. 2010 die Ehescheidung dem Recht des Staates unterliegt, in dem die Ehegatten zum Zeitpunkt der Anrufung des Gerichts ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben. Die Voraussetzungen für die Anwendung deutschen Rechts seien erfüllt, da beide Verfahrensbeteiligte in der Bundesrepublik Deutschland leben. Auch die Voraussetzungen der Ehescheidung nach § 1565 Abs. 1 BGB seien erfüllt, da die Verfahrensbeteiligten mindestens seit Oktober 2010 getrennt leben und nicht erwartet werden kann, dass sie die eheliche Lebensgemeinschaft wieder herstellen, so dass davon auszugehen ist, dass ihre Ehe gescheitert ist.
Das Familiengericht hat mit Beschluss vom 22.11.2012 den Antrag der Antragstellerin auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe abgelehnt, da die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg im Sinne von § 113 Abs. 1 FamFG i. V. m. § 114 ZPO biete, da nach Art. 9 Abs. 1 VO (EU) Nr. 1259/10 vom 20.12.2010 auch bei der Ehescheidung der Verfahrensbeteiligten italienisches Recht anzuwenden sei. Nachdem gemäß Art. 3 Nr. 2 lit. b Abs. 2 des Italienischen Gesetzes Nr. 898 vom 01.12.1970 über die Regelung der Fälle der Eheauflösung die Ehescheidung frühestens 3 Jahre nach der gerichtlichen Trennung ausgesprochen werden kann und dieser Zeitraum vorliegend noch nicht verstrichen sei, sei der Scheidungsantrag verfrüht und habe somit keine hinreichende Aussicht auf Erfolg.

Mit ihrer gegen diesen Beschluss eingelegten sofortigen Beschwerde vom 26.11.2012 rügt die Antragstellerin, dass nach dieser Auffassung diejenigen Verfahrensbeteiligten besser gestellt würden, die im Hinblick auf den Erlass der Verordnung (EG) Nr. 1259/10 vom 20.12.2010 das Trennungsverfahren bis zum 21.06.2012 zurückgehalten hätten. Daher sei einheitlich gemäß Art. 8 lit. a VO (EU) Nr. 1259/10 vom 20.12.2010 deutsches Recht anzuwenden, wenn die Ehegatten ihren gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben.

II.
Die gemäß § 76 Abs. 2 FamFG i. V. m. § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO zulässige sofortige Beschwerde ist nicht begründet. Zu Recht hat das Familiengericht die Anwendung deutschen Rechts verneint, so dass die von der Antragstellerin begehrte Ehescheidung derzeit keine Aussicht auf Erfolg im Sinne von § 113 Abs. 1 FamFG i. V. m. § 114 ZPO hat.

Nach Art. 9 Abs. 1 VO (EU) Nr. 1259/10 vom 20.12.2010 ist bei Umwandlung einer Trennung ohne die Auflösung des Ehebandes in eine Ehescheidung das auf die Ehescheidung anzuwendende Recht das Recht, das auf die Trennung ohne Auflösung des Ehebandes angewendet wurde, sofern die Parteien nicht gemäß Art. 5 VO (EU) Nr. 1259/10 vom 20.12.2010 etwas anderes vereinbart
haben. Diese Vorschrift stellt eine kollisionsrechtliche Parallelregelung zu Art. 5 EuEheVO dar. Es handelt sich dabei um eine Sonderanknüpfungsregel, die dazu führt, dass nachfolgende Statutenwechsel unbeachtlich bleiben. Sie dient den Kontinuitätsinteressen der Ehegatten (Gruber, Scheidung auf Europäisch – die Rom III-Verordnung, IPRax 2012, 381, 388).

Diese Regelung zur Wahrung der Statuseinheit findet speziell Anwendung auf den Fall des italienischen Ehescheidungsverfahrens, wenn also die Umwandlung einer Trennung von Tisch und Bett nach italienischem Recht in eine Ehescheidung begehrt wird. Daher kommt das auf die Trennung tatsächlich angewandte Recht zur Anwendung und nicht das nach Art. 8 VO (EU) Nr. 1259/10 vom 20.12.2010 eigentlich anzuwendende (Gruber, a.a.O.; Dimmler/Bißmaier „Rom III“ in der Praxis, FamRBint 2012, 66, 67; Palandt, BGB, 72. Aufl. 2013, Rom III 9, Rn. 1). Diese vom Senat geteilte Rechtsauffassung ergibt sich auch aus dem Erwägungsgrund Nr. 23 zur VO (EU) Nr.1259/10 vom 20.12.2010, wonach dann, wenn das Gericht angerufen wird, um eine Trennung ohne Auflösung des Ehebandes in eine Ehescheidung umzuwandeln, das Recht, das auf die Trennung ohne Auflösung des Ehebandes angewandt wurde, auch auf die Ehescheidung angewandt werden soll, da eine solche Kontinuität den Ehegatten eine bessere Berechenbarkeit bieten und die Rechtssicherheit stärken würde.

Es greift auch nicht Art. 9 Abs. 2 VO (EU) Nr. 1259/10 vom 20.12.2010, über welche Vorschrift wiederum Art. 8 VO (EU) Nr. 1259/10 vom 20.12.2010 anwendbar wäre. Denn diese Vorschrift ist nur in Fällen anwendbar, in denen das Recht, das auf die Trennung ohne Auflösung des Ehebandes angewendet wurde, keine Umwandlung der Trennung ohne Auflösung des Ehebandes
in eine Ehescheidung vorsieht, da hier kein Kontinuitätsinteresse der Ehegatten besteht, so dass die Statuseinheit nicht gewahrt werden muss. Vorliegend haben die Verfahrensbeteiligten auch keine Rechtswahl nach Art. 5 VO (EU) Nr. 1259/10 vom 20.12.2010 getroffen.

Dies bedeutet, dass vorliegend die Ehescheidung nach italienischem Recht eine Einheit aus gerichtlicher Trennung und Ehescheidung bildet und daher wegen Unanwendbarkeit von Art. 8 lit. a VO (EU) Nr. 1259/10 vom 20.12.2010 auch für die Ehescheidung wie für die Ehetrennung entsprechend des Beschlusses vom 14.12.2011 italienisches Recht anzuwenden ist. Der von der Antragstellerin eingereichte Scheidungsantrag ist deshalb verfrüht, denn nach Art. 3 Nr. 2 lit. b Abs. 2 des Italienischen Gesetzes Nr. 898 vom 01.12.1970 über die Regelung der Fälle der Eheauflösung muss für die Einreichung des Antrags auf Auflösung der Ehe oder Beendigung ihrer zivilrechtlichen Wirkungen die Trennung zwischen den Ehegatten ununterbrochen mindestens 3 Jahre gedauert habe, gerechnet ab dem Zeitpunkt der gerichtlichen Anhörung der Ehegatten im Trennungsverfahren.
Dies bedeutet für das vorliegende Verfahren, dass die Antragstellerin den Scheidungsantrag frühestens am 13.10.2013 einreichen kann. Dementsprechend hat das Familiengericht zu Recht Verfahrenskostenhilfe für den begehrten Scheidungsantrag zum jetzigen Zeitpunkt verweigert. Dass Ehegatten mit italienischer Staatsangehörigkeit, die in der Bunderepublik Deutschland leben und vor dem 21.06.2012 kein Ehetrennungsverfahren durchgeführt haben, wegen der sofortigen Anwendbarkeit deutschen Rechts nach Art. 8 lit. a VO (EU) Nr. 1259/10 vom 20.12.2010 einen zeitlichen Vorteil haben, ist die unvermeidliche,
aber hinzunehmende Folge von Art. 9 Abs. 1 VO (EU) Nr. 1259/10 vom 20.12.2010.

OLG Stuttgart 17.1.2013 – 17 WF 251/12


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