Zustellung per Boten durch Einlegung in den Hausbriefkasten

poller-18Das LAG Köln hat durch Urteil vom 17.9.2010 über den Zugang einer schriftlichen Willenserklärung ( Kündigungsschreiben ) durch Einwurf eines Boten in den Hausbriefkasten des Empfängers ( Arbeitnehmer ) entschieden, dass diese Zustellung nicht mehr Tag des Einwurfs wirksam wird, sondern erst am Folgetag. Dies gilt dann wenn der Einwurf in den Hausbriefkasten nach 16.00 Uhr erfolgt.

Die Parteien streiten darum, ob durch eine als fristlose, hilfsweise als fristgerechte ausgesprochene Kündigung der Beklagten vom 17.11.2009 das Arbeitsverhältnis mit Datum der fristlosen Kündigung beendet worden ist oder ob es noch bis zum 02.12.2009 bestanden hat, und um im Wesentlichen davon abhängige Zahlungsansprüche. Dabei geht der Streit der Parteien im insbesondere darum, ob die Klagefrist des § 4 KSchG eingehalten ist, was davon abhängt, ob die
Kündigung bereits am 17.11.2009 oder erst am Folgetage zugegangen ist.

Vorinstanzlich wurde entschieden, dass der Zugang der Kündigung erst für den Folgetag bewirkt wurde. Die Beklagte meint, dass nach allgemeiner Verkehrsanschauung sei die Vorstellung überholt, dass mit der Briefkastenleerung nur vormittags zu rechnen sei. Eine im Vordingen befindliche Auffassung, zu der die Beklagte auch das LAG Hamm rechnet, gehe davon aus, dass bis 18.00 Uhr eingeworfene Briefe noch am selben Tag zugingen. Die Post AG und insbesondere andere Anbieter stellten auch am Nachmittag zu. Außerdem müsse berücksichtigt werden, dass die zunehmende Zahl alleinstehender Berufstätiger vielfach erst nach 18.00 Uhr nach Hause komme. Der Marktanteil der Wettbewerber bei der Post allein bei den Briefzustellungen liege mittlerweile bei über 10 %.

Diesem Vortrag schloss sich das BAG nicht an:
Nach Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (08.12.1983 – 2 AZR 337/82) gilt allgemein für den Zugang einer schriftlichen Willenserklärung zunächst Folgendes: Das Schreiben muss in verkehrsüblicher Art in die tatsächliche Verfügungsgewalt des Empfängers oder eines empfangsbereiten Dritten gelangen und für den Empfänger muss unter gewöhnlichen Umständen eine Kenntnisnahme zu erwarten sein. Dieses Letztere bedeutet, dass nach der Verkehrsanschauung zu erwarten sein muss, dass der Empfänger sich alsbald die Kenntnisse auch tatsächlich verschafft.
Erreicht eine Willenserklärung die Empfangseinrichtungen des Adressaten (Briefkasten) zu einer Tageszeit, zu der nach den Gepflogenheiten des Verkehrs eine Entnahme oder Abholung durch den Adressaten nicht mehr erwartet werden kann, so ist die Willenserklärung an diesem Tag nicht mehr zugegangen (BAG a.a.O. m. N. zur ständigen Rechtsprechung des Reichsgerichts und des Bundesarbeitsgerichts).

Dies entspricht auch der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, wie sie gerade auch in der Entscheidung niedergelegt ist, auf die sich der Kläger beruft (BGH 21.01.2004 – XII ZR 214/00): Der Zugang der Kündigung ist an dem Tag bewirkt, an dem nach der Verkehrsanschauung mit der Leerung des Briefkastens noch gerechnet werden kann. Erreicht die Willenserklärung den Briefkasten des Empfängers zu einer Tageszeit, zu der nach den Gepflogenheiten des Verkehrs eine
Entnahme durch den Adressaten nicht mehr erwartet werden kann, so ist sie an diesem Tag nicht mehr zugegangen. Dabei ist nicht auf die individuellen Verhältnisse des Empfängers, sondern im Interesse der Rechtssicherheit auf die Verkehrsanschauung abzustellen.

Für das Folgende ist zunächst festzuhalten, dass die Beklagte die Darlegungs- und Beweislast für den Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung trägt (vgl. statt vieler: APS/Ascheid/Hesse § 4 KSchG Rn. 88 m.w.N.).

Es kann nach den Darlegungen der Beklagten weder festgestellt werden, dass in der Wohnumgebung des Klägers nach der Verkehrsanschauung davon auszugehen wäre, dass auch noch nach 16.00 Uhr mit der Leerung des Briefkastens zu rechnen war, noch kann festgestellt werden, dass eine allgemeine, für das gesamte Bundesgebiet oder auch nur für den Wohnort des Klägers geltende Verkehrsanschauung bestünde, dass mit der Leerung des Briefkastens nach 16.00 Uhr
zu rechnen wäre.

Der Vortrag der Beklagten, der Marktanteil der Wettbewerber bei der Post allein bei der Briefzustellung liege mittlerweile bei über 10 % ist als solcher unschlüssig. Die Beklagte hat nicht vorgetragen, welcher Wettbewerber der Post nach 16.00 Uhr im Wohngebiet des Klägers zustelle.
Selbst dann aber, wenn einzelne Wettbewerber der Post auch noch nach 16.00 Uhr im Wohngebiet des Klägers zustellen würden, so wäre angesichts eines Marktanteils von rund 10 % dieses nicht geeignet, eine allgemeine Verkehrsanschauung dahingehend zu begründen, dass dort mit der Leerung der Briefkästen auch noch nach 16.00 Uhr zu rechnen sei.

Auch eine allgemeine Verkehrsanschauung, die etwa das ganze Bundesgebiet betreffen würde und die dahin ginge, dass eine Leerung der Briefkästen auch noch nach 16.00 Uhr verkehrsüblich sei, lässt sich nicht feststellen. Die Beklagte hat dazu nichts Substantiiertes, einer Beweisaufnahme Zugängliches vorgetragen. Im Übrigen wird auch in der Rechtsprechung der Landesarbeitsgerichte an keiner Stelle vertreten, dass es eine Verkehrsanschauung gebe, nach der die Postzustellung nach 16.00 Uhr noch üblich sei bzw. dass eine Briefkastenleerung nach 16.00 Uhr der allgemeinen Verkehrsanschauung entspreche.


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