Verfahrenkosten bei Vaterschaftsverfahren

Bei einem erfolgreichen Antrag auf Feststellung der Vaterschaft entspricht es nicht billigem Ermessen, dem Kindesvater allein aufgrund seines Unterliegens die gesamten Verfahrenskosten aufzuerlegen, wenn dieser berechtigte Zweifel an seiner Vaterschaft hatte, weil die Kindesmutter Mehrverkehr während der gesetzlichen Empfängniszeit eingeräumt hatte.

Dem liegt der folgende Sachverhalt zugrunde:
Die am 20. Februar 2007 als nichteheliches Kind der Beteiligten zu 1 geborene Antragstellerin hat den Antragsgegner auf Feststellung seiner Vaterschaft in Anspruch genommen. Nachdem dieser sich auf Mehrverkehr der Beteiligten zu 1 und auf eine bei ihm bestehende Zeugungsunfähigkeit berufen hatte, hat das Amtsgericht ein humangenetisches Abstammungsgutachten eingeholt. Dieses führte zu einer Wahrscheinlichkeit der Abstammung des Kindes vom Antragsgegner von 99,999999 %.

Das Amtsgericht hat die Vaterschaft des Antragsgegners festgestellt und ihm die Kosten des Verfahrens auferlegt. Die allein gegen die Kostenentscheidung gerichtete Beschwerde des Antragsgegners hat das Oberlandesgericht zurückgewiesen. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde möchte der Antragsgegner eine Abänderung der Kostenentscheidung erreichen.

Die Rechtsbeschwerde führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung
der Sache an das Oberlandesgericht.
1. Das Beschwerdegericht hat seine Entscheidung damit begründet, dass das entscheidende Billigkeitskriterium
bei der Kostenentscheidung nach § 81 FamFG der Erfolg oder Misserfolg des gestellten Antrags sei. Danach seien dem Antragsgegner als Vater der Antragstellerin die gesamten gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten aufzuerlegen. Dies entspreche der vor dem 1. September 2009 geltenden Rechtslage, als sich die Kostenentscheidung noch nach § 91 ZPO gerichtet habe. Außerdem ergebe sich aus der Gesetzesbegründung zur Änderung des § 81 Abs. 3 FamFG durch das Gesetz zur Einführung einer Rechtsbehelfsbelehrung im Zivilprozess und zur Änderung anderer Vorschriften, dass es bei einem erfolglosen Vaterschaftsfeststellungsverfahren nunmehr möglich sein solle, auch dem Kind nach allgemeinen Grundsätzen die Kosten aufzuerlegen, was sich bis zum Inkrafttreten des Gesetzes aus § 91 ZPO ergeben habe. Es bestehe daher
kein Anlass, im Rahmen der Billigkeitsabwägung von einer Auferlegung der gesamten Kosten auf den Vater in Fallgestaltungen abzusehen, in denen aufgrund eines unter Beweis gestellten oder zugestandenen Mehrverkehrs ohne sachverständige Klärung begründete nachvollziehbare Zweifel daran bestünden, wer der Vater des betroffenen Kindes sei und deshalb eine im Interesse des Kindes durchzuführende Statusfeststellung im gerichtlichen Verfahren für keinen Beteiligten vermeidbar erscheine.
2. Diese Ausführungen halten der rechtlichen Überprüfung nicht stand.
a) Zutreffend ist das Beschwerdegericht allerdings zunächst davon ausgegangen, dass sich die Kostenentscheidung in den in § 169 Nr. 1 bis 3 FamFG genannten Abstammungssachen, zu denen das vorliegende Verfahren zur Feststellung der Vaterschaft zählt (§ 169 Nr. 1 FamFG), nach der allgemeinen Bestimmung in § 81 FamFG richtet. Die spezielle Kostenvorschrift des § 183 FamFG gilt nur, wenn ein Antrag auf Anfechtung der Vaterschaft (§ 169 Nr. 4 FamFG) Erfolg hat.
Nach der demnach maßgeblichen Vorschrift des § 81 Abs. 1 Satz 1 FamFG kann das Gericht die Kosten des Verfahrens nach billigem Ermessen den Beteiligten ganz oder zum Teil auferlegen.
b) Die Frage, welche Kostenverteilung bei erfolgreichen Vaterschaftsfeststellungsverfahren billigem Ermessen entspricht, ist in der Rechtsprechung und im Schrifttum umstritten.
aa) Teilweise wird die Auffassung vertreten, die Kosten seien gemäß dem Grundsatz des § 81 Abs. 1 Satz 1 FamFG zwischen Kindesvater und Kindesmutter zu teilen bzw. es habe eine Kostenaufhebung zu erfolgen. Die gesamten Verfahrenskosten könnten einem Beteiligten nur bei Verwirklichung eines der in § 81 Abs. 2 Nr. 1 bis 5 FamFG genannten Regelbeispiele oder einem damit vergleichbaren Fall auferlegt werden. Von einem groben Verschulden des Vaters könne jedoch nicht ausgegangen werden, wenn dieser vor der Kenntnis des Ergebnisses des Abstammungsgutachtens
nicht sicher sein konnte, der Vater des beteiligten Kindes zu sein (OLG Naumburg FamRZ 2012, 734 [LS]). Außerdem hätten die Kindeseltern das Verfahren in gleicher Weise veranlasst, weil sie in der gesetzlichen Empfängniszeit miteinander geschlechtlich verkehrt haben (OLG Düsseldorf FamRZ 2012, 1827, 1829; OLG Brandenburg FamRZ 2012, 1966, 1967; OLG Bamberg FamRZ 2013, 1059, 1060, 24 f.; Schulte-Bunert/Weinreich/Keske/Schwonberg FamFG 4. Aufl.
§ 183 Rn. 4).
bb) Nach anderer Ansicht entspricht es nicht der Billigkeit, die Kindesmutter an den Kosten des Verfahrens zu beteiligen, wenn der Feststellungsantrag Erfolg hat. Die Kosten seien dann von dem Kindesvater allein zu tragen, zumal dieser die Möglichkeit gehabt habe, die Vaterschaft kostenfrei urkundlich anzuerkennen (OLG München FamRZ 2011, 923, 924; OLG Stuttgart Beschluss vom 6. Juni 2012 – 15 WF 119/12 – juris Rn. 4). Ein mögliches Interesse der Mutter an der Klärung der väterlichen Abstammung des Kindes sei für sich nicht ausreichend, um diese mit den Kosten des Verfahrens zu belasten (OLG Stuttgart FamRZ 2011, 1321, 1322 [für ein postmortales Abstammungsverfahren]). Außerdem könne bei einem durchgeführten Abstammungsverfahren ein klares Obsiegen oder Unterliegen festgestellt werden, so dass einem Beteiligten – wie bisher nach § 91 ZPO – die vollen Kosten des Abstammungsverfahrens auferlegt werden könnten (vgl. OLG Schleswig SchlHA 2012, 352).
cc) Nach einer weiteren Meinung ist bei der Kostenentscheidung zwischen Gerichtskosten und außergerichtlichen
Kosten zu trennen. Das Verfahren in Abstammungssachen sei nach der gesetzlichen Neuregelung nicht mehr als einseitiges streitiges Antragsverfahren, sondern als ein Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit ohne formellen Gegner und ohne ein Obsiegen oder Unterliegen ausgestaltet (OLG Frankfurt FamRZ 2013, 1922, 1923). Deshalb sei bei Streitigkeiten unter Familienangehörigen – wie nach früherem Recht gemäß § 13 a FGG – bei der Anordnung einer Kostenerstattung Zurückhaltung geboten. Die außergerichtlichen Kosten seien daher in der Regel gegeneinander aufzuheben. Die Gerichtskosten (insbesondere die Kosten des Abstammungsgutachtens) könnten dagegen bei einer erfolgreichen Vaterschaftsfeststellung dem Vater auferlegt werden, weil dieser die Möglichkeit habe, seine Vaterschaft vor der Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens urkundlich anzuerkennen (OLG Celle FamRZ 2010, 1840, 1841; OLG Oldenburg Fam- RZ 2012, 733 f.; für die Kosten des Abstammungsgutachtens auch OLG Frankfurt FamRZ 2013, 1922, 1924; MünchKomm FamFG/Schindler 2. Aufl. § 81 Rn. 16; Musielak/Borth FamFG 4. Aufl. § 183 Rn. 5 f.; Nickel in BeckOK FamFG [Stand: 1. Oktober 2013] § 81 Rn. 10).
c) Der Senat hält es für verfehlt, bei der Ermessensausübung im Rahmen des § 81 Abs. 1 Satz 1 FamFG von einem Regel-Ausnahme-Verhältnis auszugehen. Die Vorschrift stellt es in das pflichtgemäße Ermessen des Gerichts, ob (für Familiensachen vgl. aber § 81 Abs. 1 Satz 3 FamFG) und in welchem Umfang eine Kostenentscheidung sachgerecht ist. Dabei räumt die Vorschrift dem Gericht, falls es eine Kostenentscheidung trifft, einen weiten Gestaltungsspielraum dahingehend ein, welchem Beteiligten welche Kosten des Verfahrens auferlegt werden (Prütting/Helms/Feskorn
FamFG 3. Aufl. § 81 Rn. 6). Das Gericht kann beispielsweise die Kosten ganz oder teilweise zwischen den Beteiligten aufteilen, die Kosten gegeneinander aufheben oder die Kostenregelung getrennt in Bezug auf die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten der Beteiligten vornehmen. Die Vorschrift erlaubt es auch, nur bestimmte Kosten einem der Beteiligten aufzuerlegen (OLG München FamRZ 2012, 1895 f.; Prütting/Helms/Feskorn FamFG 3. Aufl. § 81 Rn. 6; Thomas/
Putzo/Hüßtege ZPO 34. Aufl. § 81 FamFG Rn. 7) oder von der Erhebung der Kosten ganz oder teilweise abzusehen (§ 81 Abs. 1 Satz 2 FamFG). Dieses weite Ermessen des Gerichts bei der Entscheidung über die Verfahrenskosten erfährt nur eine Beschränkung durch § 81 Abs. 2 FamFG, wonach in den dort genannten Fällen die Kosten des Verfahrens einem Beteiligten ganz oder teilweise auferlegt werden sollen (vgl. Schulte-Bunert/Weinreich/Keske FamFG 4. Aufl. § 81
Rn. 23; Prütting/Helms/Feskorn FamFG 3. Aufl. § 81 Rn. 19).
Der Reformgesetzgeber wollte mit der Umgestaltung der Regelung zur Kostenentscheidung für Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit erreichen, dass das Gericht nicht nur – wie nach bisherigem Recht – die Erstattung der außergerichtlichen Kosten, sondern auch die Verteilung der Gerichtskosten nach billigem Ermessen vornehmen kann. Damit soll den Gerichten die Möglichkeit gegeben werden, im jeweiligen Einzelfall darüber zu entscheiden, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang eine Kostenentscheidung sachgerecht ist (vgl. BT-Drucks. 16/6308 S. 215). Die
nach früherem Recht in § 13 a Abs. 1 Satz 1 FGG enthaltene Grundregel, dass in Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit jeder Beteiligte seine außergerichtlichen Kosten selbst zu tragen hat, wurde deshalb bewusst nicht in die Neuregelung übernommen.
Mit dieser im Hinblick auf die Ermöglichung einer für den jeweiligen Einzelfall sachgerechten Kostenentscheidung
in Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit eingeräumten Gestaltungsfreiheit der Gerichte ist es nicht zu vereinbaren, die Kostenverteilung in Verfahren zur Feststellung der Vaterschaft nach einem von dem konkreten Einzelfall unabhängigen Regel-Ausnahme-Verhältnis vorzunehmen (vgl. dazu auch MünchKomm FamFG/Schindler 2. Aufl. § 81 Rn. 8; OLG München Fam- RZ 2012, 1895; OLG Düsseldorf FGPrax 2011, 207, 208). Das Gericht hat vielmehr in jedem konkreten Einzelfall unter Berücksichtigung sämtlicher maßgeblichen Umstände die Kostenentscheidung
zu treffen.
Ist die Kostenentscheidung solchermaßen in das Ermessen des Tatrichters gestellt, kann die Entscheidung im Rechtsbeschwerdeverfahren nur eingeschränkt darauf überprüft werden, ob das Gericht die gesetzlichen Grenzen überschritten oder sein Ermessen fehlerhaft ausgeübt hat (vgl. Senatsbeschluss vom 15. Februar 2012 – XII ZB 133/11 – FamRZ 2012, 960 Rn. 9 mwN).
d) Letzteres ist hier der Fall. Das Beschwerdegericht hat bei seiner Entscheidung, die Verfahrenskosten
vollständig dem Antragsgegner aufzuerlegen, allein auf den Erfolg des Feststellungsantrags abgestellt und damit nicht alle für die Ermessensentscheidung maßgeblichen Gesichtspunkte angemessen berücksichtigt.
aa) Das Maß des Obsiegens oder Unterliegens ist zwar ein Gesichtspunkt, der in die Ermessensentscheidung
nach § 81 Abs. 1 Satz 1 FamFG eingestellt werden kann (vgl. BT-Drucks. 16/6308 S. 215). Dies gilt aber vornehmlich für echte Streitverfahren, in denen sich die Beteiligten als Gegner gegenüberstehen und daher eine gewisse Ähnlichkeit zu einem Zivilprozess besteht (vgl. Keidel/ Budde FamFG 18. Aufl. § 81 Rn. 46; Prütting/Helms/Feskorn FamFG 3. Aufl. § 81 Rn. 12; Schulte-Bunert/Weinreich/Keske FamFG 4. Aufl. § 81 Rn. 19). Das Verfahren in Abstammungssachen ist jedoch nach der gesetzlichen Neuregelung in den §§ 169 ff. FamFG nicht mehr als streitiges Verfahren, das nach den Regelungen der Zivilprozessordnung geführt wird, sondern als ein einseitiges Antragsverfahren nach den Vorschriften der freiwilligen Gerichtsbarkeit ausgestaltet. Neben einer größeren Flexibilität des Verfahrens wollte der Gesetzgeber hierdurch erreichen, dass sich die Beteiligten in Abstammungssachen nicht als formelle Gegner gegenüberstehen (vgl. BTDrucks.
16/6308 S. 243). Das Verfahren auf Feststellung der Vaterschaft (§ 169 Nr. 1 FamFG) kann daher einem Streitverfahren nicht mehr uneingeschränkt gleichgestellt werden. Daraus folgt, dass für die im Rahmen eines erfolgreichen Verfahrens zur Vaterschaftsfeststellung zu treffende Entscheidung über die Verfahrenskosten nicht mehr allein das Obsiegen oder Unterliegen der Beteiligten maßgeblich sein kann, wenn weitere Umstände vorliegen, die für eine sachgerechte Kostenentscheidung von Bedeutung sein können.
bb) Das Beschwerdegericht hätte daher bei seiner Ermessensentscheidung nicht unberücksichtigt lassen dürfen, dass die Beteiligte zu 1 bereits zu Beginn des Verfahrens einen Mehrverkehr während der gesetzlichen Empfängniszeit eingeräumt hat. Jedenfalls deshalb konnte der Antragsgegner vor Kenntnis vom Ergebnis des Abstammungsgutachtens nicht sicher sein, ob er der Vater der Antragstellerin ist. Ihm war aus diesem Grund auch nicht zuzumuten, das Verfahren durch eine urkundliche Anerkennung seiner Vaterschaft nach §§ 1594 Abs. 1, 1597 BGB zu vermeiden. Die Frage, inwiefern ein Beteiligter Anlass für die Durchführung eines gerichtlichen Verfahrens gegeben hat, ist indes ein Gesichtspunkt, der im Rahmen der Ermessensentscheidung nach § 81 Abs. 1 BGB von Bedeutung sein kann (Schulte-Bunert/Weinreich/Keske FamFG 4. Aufl. § 81 Rn. 20; Prütting/Helms/Feskorn FamFG 3. Aufl. § 81 Rn. 11; Nickel in BeckOK FamFG [Stand: 1. Oktober
2013] § 81 Rn. 10). Da das Beschwerdegericht diesem Umstand ausdrücklich keine Bedeutung für die Ermessensausübung beimessen wollte, leidet die Kostenentscheidung an einem Rechtsfehler, der zu ihrer Aufhebung führt.

BGH 19.2.2014 XII ZB 15/13


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