Scheidung ist teuer – in Spanien unbezahlbar

Die Finanzkrise führt bei spanischen Paare dazu, dass sie sich kaum noch trennen, ja sie ziehen selbst nach der Scheidung wieder zusammen. Die Hauspreise sind im Keller Es ist praktisch unmöglich, ein Haus zu verkaufen. Daher kann sich kein Partner mehr ein zweites Heim leisten. Eine teure Scheidung kann nicht mehr gestemmt werden.

Wenn die Ehe für gute und schlechte Zeiten gemacht ist, reiche und arme, dann ist dies die schlimmste Zeit, zumindest für den ärmeren Teil Spaniens. Paare zahlen einen hohen emotionalen Preis, besonders, wenn sie sich keine Scheidung erlauben können. Angaben von Richtern, Scheidungsanwälten und Psychotherapeuten – und von Ehepaaren selbst – zeigen, dass Spaniens andauernde Wirtschaftskrise manche Menschen dazu zwingt, länger in problematischen Beziehungen auszuharren.

Im Jahr 2011 lag die Scheidungsrate in Spanien 17 Prozent unter der von 2006. Das zeigen Zahlen des spanischen Richterrats, eine nationale Organisation, die die Richter des Landes repräsentiert. Die Scheidungsrate war im Jahr 2006 nach oben geschnellt, nachdem es eine Gesetzesänderung aus dem Vorjahr leichter machte, sich zu trennen.

Seitdem ist die Rate wieder gefallen und folgte damit der seit fast fünf Jahren andauernden Finanzkrise. Durch die Krise sinkt nicht nur die Zahl der Trennungen, sie verändert auch den Scheidungsprozess selbst, wie Scheidungsanwälte sagen. So verringern Richter die Höhe der Unterhaltszahlungen. Und zerstrittene Paare geraten sich nicht mehr darüber in die Haare, wer den Besitz bekommen soll, sondern darüber, wer die Schulden übernehmen muss.

Einige Paare teilen ihre Häuser oder Wohnungen auch buchstäblich in zwei Teile, indem sie den Boden mit Klebeband markieren. Auseinandersetzungen über Geld – oder über den Mangel daran – ist der wichtigste Streitgrund sind unter Paaren, die ihre auseinanderfallende Beziehung retten wollen. Die hohe Arbeitslosenquote tut ihr übriges. Nicht nur wegen der finanziellen Härten, die damit verbunden sind, sondern auch, weil sie dann den ganzen Tag zusammen zu Hause verbringen und einander auf die Nerven gehen. Wenn verfeindete Paare außerdem noch gezwungen seien, am selben Ort wohnen zu bleiben, sei das besonders verstörend für die Kinder. Ihnen gelinge es dann nicht, die Trennung ihrer Eltern zu akzeptieren.

Scheidungen wurden in Spanien 1981 legalisiert, nach Jahren des Verbotes während der Franco-Diktatur. Aber das Gesetz setzt voraus, dass die Partner vor der gesetzlichen Scheidung offiziell getrennt leben – eine Zeit der Reflexion mit dem Ziel, die Familie in einem gesellschaftlich konservativen, katholischen Land zu retten.

Seit der Gesetzesänderung im Jahr 2005 dürfen Paare eine „Express-Scheidung“ durchführen, ohne zuvor getrennt gelebt zu haben. Es genügt, dass sie mindestens seit drei Monaten verheiratet sind. Aber selbst, wenn sich Paare eine gerichtliche Scheidung leisten können – die Wirtschaftskrise hat neue Schwierigkeiten hervorgebracht.

In der Vergangenheit hätten die Ehepartner normalerweise darüber gestritten, wer das Haus behalten darf. Jetzt streiten die Eheleute darüber, wer das Haus und die damit verbundenen hohen Schulden übernehmen muss.

Um dieses Problem zu lösen, gehörten jetzt zu vielen Vereinbarungen zwischen Eheleuten, die sich trennen wollen, spezielle Abmachungen über die Aufteilung von Hypotheken nach der Scheidung. Vor Gericht ist der Anwältin aufgefallen, dass einige Männer die Wirtschaftskrise dazu nutzen, niedrigere Unterhaltskosten durchzusetzen. Viele Richter seien ihnen wohlgesinnt. Wegen der Krise würden Frauen außerdem häufig weniger Unterstützung von den Ehemännern akzeptieren und im Gegenzug mehr Mitsprache beim Sorgerecht fordern.

In der jetzigen Situation sind es die Frauen, die, wie so oft, besonders leicht verwundbar sind. Da sie meist weniger als die Ehemänner verdienen, bleiben sie in manchen Fällen aus wirtschaftlichen Überlegungen in einer Beziehung, selbst wenn sie misshandelt werden. Wenn sie ihren Partner doch verlassen, müssen sie oft wieder bei ihren Eltern einziehen. Oder sie müssen gar mit dem EX wieder zusammenziehen.

Trotz all der Schmerzen, die solch schwere Zeiten den krisengeschüttelten Familien aufbürden, sieht wenigstens einer einen kleinen Vorteil darin. Wenn die Krise es schaffe, spanische Familien zu erhalten, indem sie eine Scheidung erschwere, sei das keine schlechte Sache.

Falls es irgendetwas Positives an der Wirtschaftskrise gibt, dann, dass die Menschen weniger Geld als zuvor haben, um das sie sich streiten können.

Frei aus New York Times 2013


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