Feststellung der Fahreridentität

Im dem vom OLG Hamm zu entscheidenden Verfahren ging es um um eine Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 54 km/h. Der Senat hatte festgestellt, dass in rechtlich überprüfbarer Weise nicht zu erkennen ist, ob die vom Sachverständigen oder dem Bußgeldrichter selbst durch Vergleich des Tatfotos mit dem Gesicht der Betroffenen vorgenommene Identifizierung eine tragfähige Grundlage der richterlichen Überzeugungsbildung ist.

Die Betroffene hat sich im Termin nicht eingelassen.

Trotzdem wurde die Betroffene auf dem vom Geschwindigkeitsverstoß gefertigten Beweisfoto vom Gericht erkannt.

Das Gericht hat sich dabei der Hilfe des Sachverständigen Huckenbeck bedient. Dieser hat ausgeführt, bei einem Vergleich des Beweisfotos in der Akte mit der persönlichen Inaugenscheinnahme der Betroffenen unter zur Hilfenahme technischer Hilfsmittel haben sich keine Widersprüche zu dem Beweisfoto ergeben. Insbesondere der hohe Haaransatz, die Nase und der Mund stellten keinen Widerspruch zum Beweisfoto dar. Der relativ hohe Oberlippenraum sei ein seltenes Merkmal. Daher bestehe aus seiner Sicht höchstwahrscheinlich eine Identität der Betroffenen mit der auf dem Beweisfoto erkennbaren Person.

Diesen Ausführungen des Sachverständigen schließt sich das Gericht nach persönlicher Inaugenscheinnahme an. Die markante Kinnpartie, die Nase, die Wangenknochen, der Mund, die hohe Stirn und der Haaransatz sowie die Größe der Augen stimmten so deutlich mit der auf dem Beweisfoto abgebildeten Person überein, dass das Gericht aufgrund dieser Inaugenscheinnahme und aufgrund der Ausführungen des Sachverständigen keinen Zweifel an der Identität mit der gefahrenen Person hat.“

Diese Urteilsausführungen zur Fahreridentität genügen indes nicht den Anforderungen, die die obergerichtliche Rechtsprechung an die tatrichterlichen Feststellungen zur Identifizierung des/der Betroffenen als Fahrzeugführer/in mittels (Tat-)Fotos stellt.

Für die Identifizierung eines Betroffenen anhand bei einer Verkehrsordnungswidrigkeit gefertigter Lichtbilder gilt im Grundsatz Folgendes:

Zunächst hat allein der Tatrichter zu entscheiden, ob ein Lichtbild die Feststellung zulässt, dass der Betroffene der abgebildete Fahrzeugführer ist. Daher kann eine Rechtsbeschwerde, die beanstandet, der Betroffene sei entgegen der Überzeugung des Tatrichters nicht mit dem abgebildeten Fahrzeugführer identisch, keinen Erfolg haben. Denn die Überprüfung dieser tatrichterlichen Überzeugung ist dem Rechtsbeschwerdegericht prinzipiell untersagt. Ob ein solches Lichtbild für das Gericht – mit oder ohne sachverständige Beratung – jedoch ein geeignetes Beweismittel darstellt, ist – beschränkt auf den Maßstab, den wissenschaftliche Erkenntnisse, die Gesetze der Logik und die Erfahrungssätze des täglichen Lebens vorgeben – durch das Rechtsbeschwerdegericht überprüfbar (vgl. dazu: BGHSt 41, 376 ff.; OLG Bamberg, Beschluss vom 21. April 2008 zu 2 Ss OWi 499/08, zitiert nach juris Rn. 10, 11). Sofern das Gericht – wie hier – nicht entsprechend der Vorgaben des Bundesgerichtshof in seiner Grundsatzentscheidung vom 19. Dezember 1995 (4 StR 170/95 = NZV 1996, 157 ff.) von der Möglichkeit der deutlichen und zweifelsfreien Bezugnahme auf das/die in der Akte befindliche/n Lichtbild/er gemäß § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO in Verbindung mit § 71 Abs. 1 OWiG Gebrauch und damit die in der Akte befindlichen Lichtbilder nicht zum Bestandteil der Urteilsgründe macht, muss das Urteil Ausführungen zur Bildqualität, vor allem zur Bildschärfe, und zum Bildinhalt enthalten und die abgebildete Person oder jedenfalls mehrere Identifizierungsmerkmale in ihren charakteristischen Eigenarten so präzise beschreiben, dass dem Rechtsmittelgericht anhand der Beschreibung in gleicher Weise wie bei der (über §§ 267 Abs. 1 Satz 3 StPO, 71 Abs. 1 OWiG) eröffneten Möglichkeit der eigenen Betrachtung des/der Lichtbild/er die Überprüfung von dessen/deren Ergiebigkeit ermöglicht wird (vgl. nur: OLG Bamberg, Beschluss vom 21. April 2008 zu 2 Ss OWi 499/08, zitiert nach juris Rn. 13; OLG Koblenz, Beschluss vom 02. Oktober 2009, 2 SsBs 100/09, zitiert nach juris Rn. 11).

Das angefochtene Urteil genügt diesen Anforderungen nicht.

Von der Möglichkeit, die §§ 267 Abs. 1 Satz 3 StPO, 71 Abs. 1 OWiG eröffnet, hat der Tatrichter keinen Gebrauch gemacht. Da eine solche Bezugnahme – wie ausgeführt – nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, der der Senat folgt, deutlich und zweifelsfrei erfolgen muss, reicht der bloße Hinweis darauf, die Betroffene sei „auf dem vom Geschwindigkeitsverstoß gefertigten Beweisfoto vom Gericht erkannt“ worden, nicht aus. Denn dieser beschreibt lediglich den Beweiserhebungsvorgang, auf den sich die Überzeugungsbildung des Tatrichters gründet, ermöglicht dem Senat als Rechtsbeschwerdegericht aber nicht die Möglichkeit zu überprüfen, ob das Beweisfoto für die Identifizierung geeignet ist. Der Tatrichter hätte somit die Bildqualität und die auf dem Beweisfoto abgebildete Person im Einzelnen beschreiben müssen. Dies ist indes nicht geschehen. Angaben zur Qualität des Beweisbildes fehlen gänzlich. Soweit das Urteil einzelne Identifizierungsmerkmale aufgezählt hat, entbehren auch diese im Wesentlichen einer ausreichend genauen Beschreibung im vorgenannten Sinne.

OLG Hamm · Beschluss vom 2. April 2013 · Az. 5 RBs 33/13


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