Erwerbsobliegenheit

Das OLG Naumburg entschied ,it Urteil vom 11.11.2008 – 3 UF 39/08, dass die gesteigerte Erwerbsobliegenheit gegenüber einem minderjährigen Kind es erforderlich macht, dass der Unterhaltsverpflichtete, der den Mindestunterhalt nicht leisten kann, sich bundesweit um eine besser bezahlte Stelle bemüht, wenn er derzeit eine Tätigkeit ausübt,
die seinem Ausbildungsstand nicht entspricht.

Zur Begründung hatte erstinstanzlich das Amtsgericht ausgeführt, dass der Beklagte im Ergebnis der gerichtlichen
Ermittlungen entgegen seinen tatsächlichen Einkünften als ausreichend leistungsfähig anzusehen
sei, denn er sei seinen Kindern gegenüber zur gesteigerten Erwerbsobliegenheit verpflichtet. Für
die Erfüllung dieser gesetzlichen Verpflichtung habe aber der Beklagte als darlegungs- und beweisbelastete
Partei nicht ausreichend vorgetragen. Der Beklagte sei auch nicht, wie von ihm behauptet,
krankheitsbedingt eingeschränkt einer (gesteigerten) Erwerbsfähigkeit nachzugehen,
denn nach der eingeholten hautärztlichen gutachterlichen Stellungnahme sei die vormals vorhandene
gesundheitliche Einschränkung des Beklagten auf dessen Nikotinabusus als Ursache zurückzuführen
gewesen, der allerdings längst nicht mehr seine Erwerbsfähigkeit einschränke. Den
Nachweis der geschuldeten gesteigerten Erwerbsbemühungen habe der Beklagte auch nicht
durch die Vorlage von 10 Bewerbungsschreiben aus dem Jahr 2007 genügt. Zudem sei nicht erkennbar,
dass der Beklagte als Tischlermeister kein höheres Einkommen als ein derzeitiges von
rund 1.000,00 Euro monatlich erzielen könne. Gerichtsbekannterweise seien in diesem Arbeitsbereich
Stundenlöhne von bis zu 10,00 Euro für Tischlerarbeiten erzielbar. Des Weiteren könne nicht
außer Acht bleiben, dass der Beklagte mietfrei im elterlichen Hause wohne und demzufolge
erhebliche Kostenersparnisse habe, die er zur Bedarfsdeckung seiner Kinder zu nutzen habe.
Schließlich könne nicht unberücksichtigt bleiben, dass der Beklagte nicht einmal vollständige und
aussagekräftige Nachweise über seine Einnahmen und Ausgaben in den letzten 12 Monaten
vorgelegt habe.

Das Oberlandesgericht stellte hierzu folgendes fest:

Entgegen seiner Ansicht ist der Beklagte ausreichend leistungsfähig, den Kindesunterhalt in
Höhe des jeweiligen Regelbetrags bzw. in Höhe des Mindestunterhalts aufzubringen.
So verfügt der Beklagte über einen hochqualifizierten Ausbildungsberuf. Er arbeitet nämlich als gelernter
Tischlermeister bei der Fa. S. GmbH .
Der Beklagte ist auch nicht, wie das Amtsgericht nach Einholung eines Sachverständigengutachtens
des Hautarztes H. H. vom 19.02.2007 (Bl. 88 d. A.) festgestellt hat, krankheitsbedingt – wie
von ihm behauptet – eingeschränkt in seinem Erwerbsvermögen.
Soweit der Beklagte – von der Klägerin bestritten – ferner behauptet, er verdiene bei Vollerwerbstätigkeit
lediglich ein durchschnittliches monatliches Nettoeinkommen von 1.087,96 Euro, von dem
noch berufsbedingte Fahrtkosten in Höhe von monatlich 326,25 Euro in Abzug zu bringen seien,
kann auch dies nicht für seine angeblich eingeschränkte Leistungsfähigkeit oder gar seine Leistungsunfähigkeit
streiten.
Denn zum einen hat der Beklagte, obgleich vom Amtsgericht hierzu ausdrücklich wiederholt beauflagt,
bis zum heutigen Tage nicht vollständig seine Einkommensverhältnisse durch Vorlage sämtlicher
Monatsverdienstbescheinigungen für ein Jahr nachgewiesen. Es liegen lediglich für einen Teil
der Monate Verdienstnachweise vor.
In diesem Zusammenhang weist das Amtsgericht auch zutreffend auf die gesteigerte
Erwerbspflicht des Beklagten gegenüber seinen minderjährigen und unverheirateten Kindern aus §
1603 Abs. 2 Satz 1 BGB hin, wonach der Beklagte nämlich gehalten gewesen wäre, soweit sein
Erwerbseinkommen aus der Haupttätigkeit nicht ausreicht, um den Mindestunterhalt seiner Kinder
abzudecken, sich bundesweit um eine besser dotierte Anstellung zu bemühen.
Zu Recht merkt das Amtsgericht in diesem Zusammenhang weiter an, dass die diesbezüglich
nachgewiesenen, von der Klägerin bestrittenen Erwerbsbemühungen des Beklagten unzureichend
sind.
Soweit der Beklagte hierzu behauptet, er könne in seinem Beruf keinen höheren Stundenlohn als
7,00 bis 8,00 Euro erzielen und zum Nachweis dessen ein Stellenangebot der Agentur für Arbeit
vorlegt, vermag auch dies nicht zu überzeugen. Denn der Beklagte ist nicht – wie im vorgelegten
Stellenangebot gesucht – nur Tischlergeselle, sondern Tischlermeister. Ferner kommt hinzu, dass
der Beklagte nach eigenen unbestrittenen Angaben noch mehrere Semester Architektur an der
Fachhochschule studiert hat, sodass er damit eine besonders hohe berufliche Qualifikation als
Handwerksmeister, noch dazu mit Auslandsberufserfahrungen, verfügt.
Überdies zeigt bereits ein Blick ins Internet, z. B. auf die Seite www.nettolohn.de, dass in anderen
Bereichen Deutschlands, z. B. im Ruhrgebiet oder im Sauerland, Tischlermeister weit höhere Einkünfte
erzielen können, als dies der Beklagte derzeit tut. Die Löhne sind teilweise derart hoch,
dass weit mehr als nur zwei minderjährige Kinder, wie hier, ohne Gefährdung des eigenen notwendigen
Selbstbehaltes, unterhalten werden könnten.
Im Übrigen wäre dem Beklagten nach § 1603 Abs. 2 Satz 1 BGB auch zuzumuten, einer entgeltlichen
Nebentätigkeit nachzugehen, wenn sein Haupterwerbseinkommen nicht ausreicht, den
Mindestunterhalt seiner minderjährigen Kinder abzudecken. Auch zu solchen Bemühungen des
Beklagten fehlt jeder Vortrag.
Nach alledem ist aber davon auszugehen, dass der Beklagte bei gehörig intensiven bundesweiten
Erwerbsbemühungen eine deutlich besser dotierte Anstellung als Tischlermeister hätte finden
können. Mit einer Nebentätigkeit zusammen hätte er auf jeden Fall ein ausreichend hohes monatliches
Nettoeinkommen erzielen können, um den ausgeurteilten Unterhalt an seine Kinder zahlen
zu können.

Demzufolge vermag der Einwand des Beklagten, er sei nicht ausreichend leistungsfähig, seine Berufung
nicht zu tragen.


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