Arbeitsrecht: keine Offenbarungspflicht einer Schwangerschaft

Die Frage nach einer Schwangerschaft bei der Einstellung ist wegen ihrer geschlechtsdiskriminierenden Wirkung grundsätzlich unzulässig. Es besteht auch dann keine Offenbarungspflicht der Arbeitnehmerin, wenn diese befristet als Schwangerschaftsvertretung beschäftigt werden soll.

Die Parteien schlossen einen Arbeitsvertrag, wonach die Klägerin ab dem 05.10.2011 befristet eingestellt wurde. Im November 2011 informierte die Klägerin die Beklagte über das Bestehen einer Schwangerschaft mit einem errechneten Geburtstermin vom 19.05.2012.

Unter dem 03.01.2012 richtete die Beklagte folgendes Schreiben an die Klägerin:
„Sehr geehrte Frau …,
Sie teilten uns unlängst mit, dass Sie schwanger sind. Die Schwangerschaft war Ihnen schon zum Zeitpunkt der Eingehung des Arbeitsverhältnisses bekannt. Dies haben Sie selbst gegenüber weiteren Mitarbeiterinnen bestätigt. Damit haben Sie uns getäuscht. Wir hätten mit Ihnen niemals einen befristeten Arbeitsvertrag abgeschlossen, der selbst einer Schwangerschaftsvertretung dienlich sein sollte. Wir sprechen hiermit die Anfechtung des Arbeitsvertrages wegen arglistiger Täuschung aus. …“

Das Arbeitsverhältnis ist nicht durch Anfechtung beendet worden, entschied das LAG Köln.

Die Klägerin war bei Vertragsschluss nicht verpflichtet, das Bestehen einer Schwangerschaft zu offenbaren. Das Verschweigen von Tatsachen stellt nur dann eine Täuschung dar, wenn hinsichtlich der verschwiegenen Tatsachen eine Aufklärungspflicht besteht. Das ist im Hinblick auf eine Schwangerschaft zur Vermeidung einer Geschlechtsdiskriminierung zu verneinen. Gleiches gilt für eine entsprechende Frage des Arbeitgebers, die nach § 3 Abs. 1 S. 2 AGG als unmittelbare Benachteiligung wegen des Geschlechts zu bewerten ist. Die unmittelbar diskriminierende Wirkung hat die Beklagte selbst bestätigt, indem sie ausgeführt hat, sie hätte die Klägerin natürlich nicht eingestellt, wenn diese sie über die bereits bei Vertragsunterzeichnung bekannte Schwangerschaft informiert hätte.

Soweit sich die Beklagte auf eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (v. 08.09.1988 – 2 AZR 102/88) beruft, ist diese Rechtsprechung schon deshalb nicht einschlägig, weil hier die Vertragsdurchführung nicht wegen eines mutterschutzrechtlichen Beschäftigungsverbots gänzlich unmöglich war.

Auch die Tatsache der Befristung führt zu keiner anderen Beurteilung. Zwar hat das BAG die Unzulässigkeit einer Frage nach der Schwangerschaft bislang ausdrücklich nur für den Fall einer unbefristeten Einstellung festgestellt (BAG v. 06.02.2003 – 2 AZR 621/01). Nach der Rechtsprechung des EuGH (v. 04.10.2001 – C–109/00) gilt dies aber auch dann, wenn ein befristeter Arbeitsvertrag begründet werden soll und feststeht, dass die Bewerberin während eines wesentlichen Teils der Vertragszeit nicht arbeiten kann. Aufgrund dieser Rechtslage, die aus Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 76/207/EWG zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung, zur Berufsbildung und zum beruflichen Aufstieg folgt, bestand im Streitfall weder ein Fragerecht des Arbeitgebers noch eine Offenbarungspflicht der Arbeitnehmerin, und zwar selbst für den Fall, dass ihr die Schwangerschaft bei Vertragsschluss bekannt war.

LAG Köln, Urteil vom 11.10.2012 – 6 Sa 641/12