Anhörung des Kindes ab 3 Jahre im Umgangsverfahren hat Verfassungsrang

Das OLG Oldenburg hatte am 6.7.2009 – 13 UF 54/09 entschieden, dass
1. Bei der gemäß § 50 b FGG vorgeschriebenen Anhörung des Kindes handelt es sich um
einen Verfahrensgrundsatz mit Verfassungsrang, der die Stellung des Kindes als Subjekt im
Verfahren, seine Grundrechte und sein rechtliches Gehör schützt. Infolgedessen ist die
Anhörung in einem Umgangsverfahren auch dann erforderlich, wenn die Eltern eine Anhörung
nicht wünschen
2. Können sich die Eltern über die Ausübung des Umgangsrechts nicht einigen, obliegt es
dem Familiengericht, eine konkrete Umgangsregelung mit durchsetzbarem Inhalt zu treffen,
die vollständig, vollziehbar und vollstreckbar sein muss.

Dies gilt auch dann wenn beide Elternteile sich gegen eine Anhörung des Kindes ausgesprochen haben.

Hierzu führte das Gericht im Einzelnen aus:
Können sich die Eltern über die Ausübung des Umgangsrechts nicht einigen, hat das Familiengericht
gemäß § 1684 Abs. 3 BGB eine Entscheidung zu treffen, die sowohl die beiderseitigen
Grundrechtspositionen der Eltern als auch das Wohl des Kindes und dessen Individualität als
Grundrechtsträger berücksichtigt. Aus diesem Grund muss die Ausgestaltung des Verfahrens den
widerstreitenden Grundrechtspositionen Rechnung tragen. Bei der Entscheidung ist der Wille des
Kindes zu berücksichtigen, soweit dies mit seinem Wohl vereinbar ist. Dazu hat das Gericht gemäß
§ 50 b FGG das Kind persönlich anzuhören. Diese Anhörung darf gemäß § 50 b Abs. 3 S. 1
FGG nur aus schwerwiegenden Gründen unterbleiben. Dabei handelt es sich um einen Verfahrensgrundsatz
mit Verfassungsrang, der die Stellung des Kindes als Subjekt im Verfahren, seine
Grundrechte und sein rechtliches Gehör schützt (vgl. BVerfG, BVerfGE 64, 180, 191. 55, 171, 180,
182 f.. FamRZ 2007, 1078). Durch die Anhörung wird das Gericht in die Lage versetzt, sich einen
unmittelbaren Eindruck von dem Kind, dessen Wohl das Verfahren sichern soll, zu verschaffen
(vgl. BVerfG. BVerfGE 171, 180). Auf diese Weise dient die Ausgestaltung des Verfahrens dem
Schutz des Kindes. Infolgedessen ist die Anhörung auch dann erforderlich, wenn die Eltern – wie
hier – eine Anhörung nicht wünschen
(vgl. OLG Zweibrücken, FamRZ 1999, 246 f.). Allein der Umstand,
dass die Eltern die vermeintliche Belastung durch eine richterliche Anhörung fürchten, darf
nicht dazu führen, dass das Verfahren über den Kopf des Kindes hinweg geführt wird, ohne dass
ihm selbst ermöglicht wird, seine Wünsche, Vorstellungen und Gefühle zum Ausdruck zu bringen.
Dies gilt hier umso mehr, als die Mutter … Belastung durch die bisherige Umgangsregelung ins
Feld führt, während der Vater eine solche Belastung in Abrede nimmt. Nach der gefestigten Rechtsprechung
des Bundesverfassungsgerichts sind Kinder ab einem Alter von drei Jahren vom Richter
persönlich anzuhören (BVerfG FamRZ 2007, 105 ff.. FamRZ 2007, 1078 ff. jeweils m.w.N.). Der
auf diesem Wege ermittelte Kindeswille hat bei älteren Kindern – … ist schon elf Jahre alt – zudem
besonderes Gewicht (BVerfG, Beschl. v. 13.07.2005 – BVerfGK 6, 5761).


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