Schadensersatz gegen öffentliche Arbeitgeber bei Überschreitung der wöchentlichen Arbeitszeit

geplatztIm öffentlichen Dienst beschäftigte Arbeitnehmer i.S.d. Gemeinschaftsrechts (hier: ein verbeamteter Feuerwehrmann) können bei Überschreitung der wöchentlichen Höchstarbeitszeit gem. Art. 6b Richtlinie 2003/88/EG unmittelbar aus der Richtlinie einen Anspruch auf Schadensersatz gegen die Behörde haben. Der Anspruch besteht unabhängig davon, ob der Arbeitnehmer zuvor einen Antrag auf Einhaltung der Arbeitszeitbestimmungen gestellt hat. Die Festlegung von Höhe, Form und Berechnung der Entschädigung obliegt dem Mitgliedstaat.

Der Sachverhalt:
Der Kläger des Ausgangsverfahrens steht als verbeamteter Feuerwehrmann im Dienst der Stadt Halle. Bis Ende 2006 betrug seine wöchentliche Arbeitszeit, die sich aus aktivem Dienst und Bereitschaftsdienst zusammensetzte, 54 Stunden wöchentlich. Am 13.12.2006 beantragte er eine Reduzierung der Arbeitszeit auf die maximal zulässigen 48 Wochenstunden und einen Ausgleich für die in der Zeit vom 1.1.2004 bis zum 31.12.2006 geleistete Mehrarbeit.

Die Beklagte lehnte den Antrag auf Gewährung eines Ausgleichs ab. Auf die hiergegen gerichtete Klage setzte das zuständige Verwaltungsgericht das Verfahren aus und legte dem EuGH u.a. die Frage zur Vorabentscheidung vor, ob im öffentlichen Sektor beschäftigten Arbeitnehmern bei Überschreitung der wöchentlichen Höchstarbeitszeit Ausgleichansprüche gegen den Arbeitgeber bzw. Dienstherrn zustehen können. Der EuGH bejahte dies.

Die Gründe:
Ein Arbeitnehmer, der – wie hier – als Feuerwehrmann in einem zum öffentlichen Sektor gehörenden Einsatzdienst beschäftigt ist und dessen Arbeitszeit die Höchstarbeitszeit gem. Art. 6b der Richtlinie 2003/88/EG überschreitet, kann unmittelbar aus dem Unionsrecht einen Anspruch auf Ersatz des Schadens haben, der ihm durch den Verstoß gegen diese Bestimmung entstanden ist.

Der Arbeitnehmer kann sich unmittelbar auf die Richtlinie berufen, wenn die Umsetzungsfrist insoweit abgelaufen ist. Darüber hinaus müssen für eine Haftung des Staats gegenüber dem Einzelnen folgende drei Voraussetzungen erfüllt sein:

Die unionsrechtliche Norm, gegen die verstoßen worden ist, muss die Verleihung von Rechten an die Geschädigten bezwecken,
der Verstoß gegen diese Norm muss hinreichend qualifiziert sein
und zwischen diesem Verstoß und dem den Geschädigten entstandenen Schaden muss ein unmittelbarer Kausalzusammenhang bestehen.
Sind diese Voraussetzungen erfüllt, so kann der Schadensersatzanspruch vom Mitgliedstaat nicht von einem darüber hinausgehenden Verschulden des Staats oder einem vorherigen Antrag des Arbeitnehmers auf Einhaltung der Arbeitszeitbestimmungen abhängig gemacht werden.

Der Schadensersatz muss nach Höhe und Form angemessen sein. Mangels entsprechender Unionsvorschriften ist es allerdings Sache der Mitgliedstaaten, festzulegen, ob der Schadenersatz in Form von Freizeitausgleich oder in Form einer finanziellen Entschädigung zu gewähren ist. Den Mitgliedstaaten obliegt darüber hinaus auch die Festlegung der Regeln für die Art und Weise der Berechnung der Anspruchshöhe.

EuGH 25.11.2010, C-429/09 (G. Fuß ./. Stadt Halle)