Nachehelicher Unterhalt ist abänderbar bei wesentlicher Veränderung

Das OLG Koblenz entschied, dass der Antrag auf Abänderung der in der notariellen Urkunde enthaltenen Unterhaltsregelung begründet ist.

Die notarielle Vereinbarung der Beteiligten ist nach den Grundsätzen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage abänderbar. Die Antragsgegnerin hat nicht bewiesen, dass die Eheleute eine Abänderbarkeit der notariellen Vereinbarung für den Fall einer späteren Änderung der tatsächlichen Verhältnisse ausgeschlossen haben. Eine solche Einigung wäre keine Geschäftsgrundlage der Vereinbarung, sondern ihr Inhalt (BGH, FamRZ 2010, 192). Die Antragsgegnerin hat eine dahingehende Einigung der Beteiligten nicht bewiesen.

Sie ergibt sich nicht bereits aus dem Umstand, dass die notarielle Vereinbarung keine Grundlagen für die Berechnung des Unterhalts enthält. Dies spricht zwar dafür, dass die Beteiligten jedenfalls eine freie Abänderbarkeit ausschließen wollten. Für den Fall einer späteren Änderung der tatsächlichen Verhältnisse sagt die Gestaltung der notariellen Vereinbarung aber nichts aus. Deshalb bleibt es bei dem Grundsatz, dass eine Abänderungsmöglichkeit jedenfalls bei einer wesentlichen Änderung der tatsächlichen Verhältnisse besteht (BGH, a.a.O.).

Eine wesentliche Veränderung der tatsächlichen Verhältnisse gegenüber den Verhältnissen zur Zeit des Vertragsabschlusses liegt für die Zeit ab März 2013 vor. Die Zwangsversteigerung und die Zwangsverwaltung des Grundstücks des Antragstellers in …[Z] sind angeordnet worden. Dies hat nach § 148 Abs. 2 ZVG zur Folge, dass dem Antragsteller die Verwaltung und Nutzung des Grundstücks entzogen ist. Das Grundstück wurde durch den Zwangsverwalter geräumt, so dass die Zurechnung eines Wohnwerts und die Zurechnung von Mieteinnahmen entfällt.

Auch hinsichtlich der Einnahmen aus der selbstständigen Tätigkeit als Bauingenieur ist eine wesentliche Veränderung eingetreten. Der Antragsteller vollendet in Kürze das 78. Lebensjahr. Soweit er – in streitigem Umfang – noch Einkünfte aus selbstständiger Tätigkeit erzielt, sind diese überobligationsmäßig und nicht mehr in die Unterhaltsberechnung einzubeziehen.

Eine Erwerbstätigkeit nach Erreichen der Regelaltersgrenze ist grundsätzlich überobligationsmäßig. Die Frage, in welchem Umfang das Einkommen, das aus einer solchen Erwerbstätigkeit erzielt wird, für den Unterhalt heranzuziehen ist, ist nach den Grundsätzen von Treu und Glauben unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls zu beurteilen. Dabei können das Alter und die mit der fortgesetzten Erwerbstätigkeit zunehmende körperliche und geistige Belastung, ergänzend auch die ursprüngliche Planung der Eheleute und die beiderseitigen wirtschaftlichen Verhältnisse herangezogen werden. Bei fortgeschrittenem Alter des Unterhaltspflichtigen kann eine Anrechnung auch gänzlich ausscheiden, ohne dass es entscheidend auf die konkrete Höhe der Einkünfte ankommt (BGH, FamRZ 2011, 454; BGH, FamRZ 2013, 191; BGH, FamRZ 2003, 848).

Nach diesen Maßstäben sind die Einkünfte des Antragstellers aus selbstständiger Tätigkeit für die Zeit ab März 2013 nicht mehr für den Unterhalt heranzuziehen. Die Vorstellungen der Beteiligten gingen zwar dahin, dass der Antragsteller noch über das Erreichen der gesetzlichen Altersgrenze hinaus erwerbstätig sein würde. Dies ergibt sich bereits daraus, dass der Antragsteller bereits bei Abschluss der notariellen Vereinbarung fast 69 Jahre alt war. Daraus kann jedoch nicht geschlossen werden, dass Einkünfte des Antragstellers die dieser acht Jahre später erzielt, weiterhin und auf unabsehbare Zeit für den Unterhalt der Ehefrau einzusetzen wären.

Beide Beteiligten befinden sich in einer schwierigen finanziellen Lage. Die Antragsgegnerin ist wegen ihrer geringen Renteneinkünfte ohne die Unterhaltszahlungen des Antragstellers auf die Inanspruchnahme öffentlicher Hilfen angewiesen. Auch der Antragsteller befindet sich in angespannten wirtschaftlichen Verhältnissen. Er hat Bankverbindlichkeiten von mehr als 188.000,00 €, wobei nicht abzusehen ist, ob diese in vollem Umfang durch einen Versteigerungserlös gedeckt wären. Im Rahmen der Verfahrenskostenhilfe hat der Antragsteller – wie in der mündlichen Verhandlung erörtert – weitere Verbindlichkeiten in erheblichem Umfang (…[B] Krankenkasse und …[C]-Bank) belegt. Sonstige Einkünfte hat der Antragsteller nur in Höhe von insgesamt 473,00 € monatlich. Er bezieht eine Altersrente von 302,00 € und einen Ehrensold von 171,00 €. Er könnte deshalb durch geringe Einkünfte aus selbstständiger Tätigkeit, deren Erzielung mit fortschreitendem Alter immer weniger wahrscheinlich wird, lediglich seinen angemessenen Eigenbedarf sicherstellen. Bei dieser Sachlage bedarf es nach Auffassung des Senats keiner weitergehenden Feststellungen zur konkreten Höhe des gegenwärtigen Einkommens des Antragstellers. Die Heranziehung des Einkommens aus selbstständiger Tätigkeit aus den letzten drei Jahren ist in diesem Zusammenhang grundsätzlich ungeeignet, weil aufgrund des weit fortgeschrittenen Alters des Antragstellers keine Prognose gestellt werden kann, dass dieser auch in Zukunft Einkünfte in dieser Höhe haben wird.

Da das Einkommen des Antragstellers weit unterhalb seines Selbstbehalts liegt, ist er zur Unterhaltszahlung an die Antragsgegnerin nicht mehr verpflichtet. Die Vermutung der Antragsgegnerin, der Antragsteller verfüge über weitere, nicht bekannte Einkunftsquellen, ist nicht durch tatsächliche Anhaltspunkte belegt und mit der Anordnung der Zwangsversteigerung und Zwangsverwaltung des Grundstücks wegen der erheblichen Verbindlichkeiten nicht ohne weiteres in Einklang zu bringen.

OLG Koblenz 18.06.2014 – 9 UF 34/14