Kündigung Arbeitsvertrag bei privater Nutzung der Firmenkreditkarte

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit zweier Arbeitgeberkündigungen.

Der Kläger erhielt eine Firmenkreditkarte zur dienstlichen Verwendung, die über sein Konto abgerechnet werden sollte und deren private Verwendung nur in Ausnahmefällen in Abstimmung mit der Beklagten erlaubt war. Gegen Vorlage von Nachweisen sollten dem Kläger seine Aufwendungen erstattet werden. In dem „MasterCard Business Kartenantrag“ vom 26. September 2011 (Bl. 339 – 340 d.A.) verpflichteten sich die Parteien gesamtschuldnerisch gegenüber der kartenausgebenden Bank.

In der Zeit vom 5. bis zum 9. Dezember 2011 hielt sich der Kläger in Riga (Lettland) auf. Am 5., 7. und 8. Dezember 2011 tätigte er dort in einem Nachtclub private Umsätze mit der Firmenkreditkarte in einer Gesamthöhe von 4.311,83 €.

Der Kläger schlug vor, die Beklagte solle der Belastung widersprechen. Deren Geschäftsführer bestand auf einer „internen Abrechnung“ und verlangte Nachweise für die Berechtigung der Belastung als Reisekosten und Spesen. Um zu verhindern, dass die Beklagte von der privaten Verwendung der Firmenkreditkarte erfährt, übermittelte der Kläger am 23. Januar 2012 eine gefälschte, in der Addition der aufgeführten Positionen dem Belastungsbetrag entsprechende Kreditkartenabrechnung (Bl. 83 – 84 d.A.), die die privaten Ausgaben nicht auswies und von der Beklagten „gebucht“ wurde.

Anfang März 2012 fiel einer Mitarbeiterin der Beklagten bei der Erstellung des Jahresabschlusses auf, dass der Anfangssaldo auf der vom Kläger am 23. Januar 2012 übermittelten Kreditkartenabrechnung nicht mit dem Schlusssaldo der zuvor verbuchten Abrechnung übereinstimmte. Daraufhin forderte die Mitarbeiterin eine Zweitausfertigung der Kreditkartenabrechnung an, deren erste Seite (Bl. 82 d.A.) am 20. März 2012 und deren vollständige Fassung am 23. März 2012 bei der Beklagten einging. Der Geschäftsführer der Beklagten wurde am 20. März 2012 über den Vorgang informiert.

Der Kläger wandte ein, dass ein wichtiger Grund für die kündigung fehlte, da er nicht mit einer Belastung des Firmenkontos hatte rechnen müssen.

Der Kläger wendet ein, dass er mit der Vorlage der gefälschten Kreditkartenabrechnung habe er ebenfalls keinen rechtswidrigen Vermögensvorteil erstrebt. Der Beklagten sei kein Nachteil entstanden. Im Übrigen sei nicht nachvollziehbar, warum sie die unberechtigte Belastung des Firmenkontos durch die kartenausgebende Bank nicht zurückgewiesen habe.

Das Berufungsgericht bestätite das Vorliegne eines wichtigen Grundes im Sinne von § 626 Abs. 1 BGB.

Bereits die umfangreiche vertragswidrige Verwendung einer Firmenkreditkarte zu privaten Zwecken ist an sich geeignet, einen wichtigen Grund im Sinne von § 626 Abs. 1 BGB abzugeben (vgl. OLG Brandenburg 20. Februar 2007 – 6 U 22/06 – zu II 1 b der Gründe, GmbHR 2007, 874 für den Fremdgeschäftsführer einer GmbH). Es spricht angesichts der Stellung, Selbständigkeit, Bewegungsfreiheit und fehlenden Kontrollierbarkeit des Klägers als im Außendienst tätigem Vertriebs- und Marketingleiter und der damit verbundenen Möglichkeit zur verantwortlichen Entscheidung innerhalb eines gewissen Ermessensspielraums vieles für eine strafbare Untreue in Form des Missbrauchstatbestands im Sinne von § 266 Abs. 1 Alt. 1 StGB (vgl. OLG Celle 5. November 2010 – 1 Ws 277/10 – zu II 1 der Gründe, NStZ 2011, 218 für die einem Kraftfahrer vom Arbeitgeber überlassene Tankkarte; LG Dresden 21. Juni 2005 – 10 Ns 202 Js 45549/03 – zu V der Gründe, NStZ 2006, 633 für die einem Polizeibeamten vom Dienstherrn überlassene Tankkarte; OLG Hamm 6. Juni 2003 – 2 Ss 367/03 – zu II 2 der Gründe, NStZ-RR 2004, 111 für eine eingeräumte Kontovollmacht). Das einzig problematische Vorliegen einer qualifizierten Vermögensbetreuungspflicht kann allerdings dahinstehen, weil für die Annahme eines wichtigen Grundes im Sinne von § 626 Abs. 1 BGB nicht die strafrechtliche Würdigung, sondern der mit der Pflichtverletzung verbundene schwere Vertrauensbruch entscheidend ist. Insoweit gilt, dass der vertragswidrige Einsatz einer Firmenkreditkarte für private Zwecke in beträchtlichem Umfang zulasten des Vermögens des Arbeitgebers in jedem Fall eine schwere Verletzung der Pflicht zur Rücksichtnahme aus § 241 Abs. 2 BGB und damit einen schweren Vertrauensmissbrauch darstellt. Der Einwand des Klägers, er habe mit einer Belastung des Firmenkontos keinesfalls rechnen müssen, ist unsubstantiiert und damit gemäß § 138 Abs. 1 bis 3 ZPO unbeachtlich. Nach dem von ihm unterzeichneten und zu den Gerichtsakten gereichten „MasterCard Business Kartenantrag“ hatte sich die Beklagte gesamtschuldnerisch neben dem Kläger verpflichtet, der kreditkartenausgebenden Bank die anfallenden Forderungsbeträge zu erstatten. Der Kläger trägt keine Umstände vor, warum ihm die gesamtschuldnerische Haftung der Beklagten nicht bewusst gewesen sein soll. Es handelt sich um eine bankübliche Klausel in einem Vertrag zur Ausgabe einer Firmenkreditkarte. Zudem und vor allem lässt sich nur durch die Mitverpflichtung der Beklagten erklären, warum die Parteien vereinbart haben, dass die Kreditkarte – bis auf „abgestimmte“ Ausnahmefälle – ausschließlich für betriebliche Zwecke verwendet werden durfte. Selbst wenn man zugunsten des Klägers unterstellen wollte, dass in den Vormonaten das von ihm angegebene Abrechnungskonto belastet worden ist, trägt er doch keine konkreten Tatsachen dafür vor, warum er von einer weiterhin für Umsätze über 4.300,00 Euro ausreichenden Kontodeckung ausgehen durfte. Im Übrigen hätte der Kläger auch bei ausreichender Deckung des von ihm angegebenen Kontos das Vermögen der Beklagten zumindest gefährdet. Die Gesamtschuld zeichnet sich nach § 421 Satz 1 BGB durch die Gleichstufigkeit der Haftung aus. Es liegt gerade im Wesen der Gesamtschuld, dass der Gläubiger (hier: die kartenausgebende Bank) nach seinem Belieben jeden Gesamtschuldner ganz oder teilweise in Anspruch nehmen kann. Die kreditkartenausgebende Bank konnte damit sofort auf das Firmenkonto der Beklagten zugreifen. Aus der Rechtmäßigkeit der Inanspruchnahme der gesamtschuldnerisch haftenden Beklagten folgt zugleich, dass – was den Kläger auch nicht hätte entlasten können – die Beklagte die Abbuchung vom Firmenkonto nicht rückgängig machen konnte.

Zudem hat der Kläger einen „an sich“ wichtigen Grund dadurch gesetzt, dass er, nachdem ihm die Belastung des Firmenkontos jedenfalls bekannt war, nicht bloß deren private Veranlassung nicht offen gelegt, sondern diese – offenbar in dem vollen Bewusstsein der Vertragswidrigkeit des Kreditkarteneinsatzes – durch die Vorlage einer gefälschten Kreditkartenabrechnung aktiv verschleiert und damit die Beklagte gezielt über das Bestehen eines Ersatzanspruchs nach §§ 280, 426 BGB getäuscht hat. Eine aktive vorsätzliche Täuschung des Arbeitgebers über einen pflichtwidrig und wenigstens bedingt vorsätzlich diesem zugefügten Vermögensschaden unter Manipulation einer Kreditkartenabrechnung ist ebenfalls geeignet, einen wichtigen Grund im Sinne von § 626 Abs. 1 BGB abzugeben. Das Vorgehen des Klägers verwirklicht nicht allein den Tatbestand der Urkundenfälschung im Sinne von § 267 StGB, sondern auch den des – versuchten – Forderungsbetrugs im Sinne von § 263 StGB. Die Vorlage der gefälschten Kreditkartenabrechnung diente der Täuschung über Tatsachen. Der Kläger wollte verhindern, dass die Beklagte die vertragswidrige Veranlassung der Belastung ihres Kontos erkennt, Einwendungen vorbringt und Ersatzansprüche erhebt. Die Beklagte sollte – wie zunächst auch geschehen – darauf verzichten, die ihr im Innenverhältnis der Parteien zu Unrecht belasteten Beträge von dem Kläger zurück zu fordern. Das Unterlassen stellte eine Verfügung der Beklagten dar, die sich unmittelbar vermögensmindernd auswirkte. Der vom Kläger zumindest erstrebte Vermögensvorteil lag darin, dass er aus den entstandenen Ersatzansprüchen nicht in Anspruch genommen wird. Dieser Vorteil ist stoffgleich mit dem auf Seiten der Beklagten eingetretenen Vermögensschaden. Dass der Kläger mit dem Hinweis darauf, dass die Belastung auf einem privaten Einsatz der Firmenkreditkarte beruhte, zugleich hätte offenbaren müssen, dass er seine vertraglichen Pflichten verletzt hatte, stünde der Annahme eines Forderungsbetrugs nicht entgegen. Zumutbarkeitserwägungen spielen ausschließlich bei Unterlassungsvorwürfen eine Rolle. Das dem Kläger vorzuwerfende Verhalten liegt aber in einem aktiven Tun (vgl. OLG Celle 5. November 2010 – 1 Ws 277/10 – zu II 3 c der Gründe, NStZ 2011, 218). Letztlich kann allerdings auch diese strafrechtliche Würdigung dahinstehen, weil ein Arbeitnehmer, der eine manipulierte Kreditkartenabrechnung vorlegt, um berechtigte Ersatzansprüche des Arbeitgebers zu verschleiern, jedenfalls in erheblicher Weise seine vertragliche Pflicht zur Rücksichtnahme aus § 241 Abs. 2 BGB verletzt und einen schweren Vertrauensmissbrauch begeht (vgl. BAG 9. Juni 2011 – 2 AZR 381/10 – Rn. 14, NZA 2011, 1027). Auch insofern spielt es keine Rolle, ob die Beklagte – wie zwischenzeitlich geschehen – Ersatzansprüche tatsächlich geltend gemacht hätte. Der Kläger wollte ihr bereits die Möglichkeit nehmen, einen Ersatzanspruch überhaupt zu erkennen (vgl. Sächsisches LAG 28. April 2011 – 1 Sa 749/10 – jurisRn. 33).

LAG Hamm · Urteil vom 10. Mai 2013 · Az. 10 Sa 1732/12