Aufenthaltsbestimmungsrecht trotz schlechter Bindungstoleranz

manwoman2Das Oberlandesgericht hat trotz schlechterer Bindungstoleranz der Kindesmutter das Aufenthaltbestimmungsrecht ihre 4 jährigen Kindes übertragen und die vorinstanzlichen Urteile aufgehoben. Die Kindesmutter war, nachdem Ihr ein vorläufiges Aufenthaltsbestimmungsrecht eingeräumt wurde, 500 km weit weg gezogen.

Hierzu stellte das OLG fest:
„Die Motive des Elternteils für seinen Entschluss an einen anderen weiter entfernten Ort zu ziehen, stehen grundsätzlich nicht zur Überprüfung des Familiengerichts. Es kommt insoweit auch nicht darauf an, ob der Elternteil triftige Gründe anführen kann. Dementsprechend stehen dem Familiengericht keine Möglichkeiten zur Sanktion zur Verfügung. Verfolgt allerdings der Elternteil mit dem Wegzug (auch) den Zweck, den Kontakt zwischen dem Kind und dem anderen Elternteil zu vereiteln, steht die Bindungstoleranz des betreuenden Elternteils und somit seine Erziehungseignung in Frage (BGH FamRZ 2010, 1060). Nach Auffassung des Senats kann aber gerade nicht festgestellt werden, dass der Grund des Wegzugs in der Absicht der Antragstellerin begründet war das Kind dem Umgang seines Vaters zu entziehen. Vielmehr hatte die Kindesmutter durchaus aus ihrer Sicht gewichtige Gründe, eine größere Distanz zwischen den eigenen Aufenthaltsort und
denjenigen ihres Ehemanns zu legen.

So stellte das Gericht fest:
1. Eine dem Kindeswohl entsprechende gemeinsame Ausübung der Elternverantwortung setzt ein Mindestmaß an Übereinstimmung in wesentlichen Bereichen der elterlichen Sorge und insgesamt eine tragfähige soziale Beziehung zwischen den Eltern voraus (BGH, FamRZ 2008, 592). Maßstab für die Entscheidung nach § 1671 Abs. 2 Nr. 2 BGB ist stets das Kindeswohl. Gewichtige Gesichtspunkte des Kindeswohls sind die Bindungen des Kindes, die Prinzipien der Förderung (Erziehungseignung) und der Kontinuität sowie die Beachtung des Kindeswillens (so BGH FamRZ 2011, 796-801; FamRZ 1990, 392, 393 mwN). Die einzelnen Kriterien stehen aber letztlich nicht wie Tatbestandsmerkmale kumulativ nebeneinander. Jedes von ihnen kann im Einzelfall mehr oder weniger bedeutsam für die Beurteilung sein, was dem Wohl des Kindes am besten entspricht (FamRZ 1990, 392, 393 mwN; FamRZ 2010, 1060).

2. Ein Kriterium für die Sorgerechtsentscheidung kann die Frage sein, welcher Elternteil die bessere Bindungstoleranz besitzt. Fehlt es an der dem Kindeswohl dienlichen Bindungstoleranz des betreuenden Elternteils, steht seine Erziehungseignung in Frage (BGH FamRZ 2010, 1060).

3. Mangelnde bzw. schlechtere Bindungstoleranz kann nur dann auf die Tatsache eines Umzugs in einen vom Wohnort des Umgangsberechtigten, sein Umgangsrecht erschwerenden weiter entfernten Ort gestützt werden, wenn der andere Elternteil mit dem Wegzug (auch) den Zweck verfolgt, den Kontakt zwischen dem Kind und dem anderen Elternteil zu vereiteln.

4. Hat der betreuende Elternteil gewichtige Gründe für den Wegzug und stellt er nach dem Wegzug den Umgang des Kindes mit dem anderen Elternteil sicher, spricht dies gegen eine auf fehlender Bindungstoleranz beruhenden Entscheidung.

OLG Köln 25.7.2011 – 4 UF 18/11